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Früher Bürgermeister gespielt


Autor: Anette Schreiber

Königsfeld, Sonntag, 05. Juli 2020

Königsfelds Bürgermeister Norbert Grasser ist ebenso vielseitig wie gesellig und schlüpft in viele Rollen.
Auch in seiner Rolle als Nebenerwerbslandwirt eines Biohofes geht Norbert Grasser voll auf.  Foto: privat


Mittlerweile gibt er öfter den Großvater. Seine Lieblingsrolle war seinerzeit Pizzabäcker. Und Bürgermeister hat Norbert Grasser auch schon verkörpert. Doch seit März ist aus diesem Spiel auf der Bühne der Königsfelder Laiendarsteller Ernst und der 61-Jährige ein wirkliches Gemeindeoberhaupt geworden. Diese neue "Rolle" füllt ihn eigentlich aus. Aber als ehrenamtlicher Bürgermeister geht er seinem vorherigen Job bei einer örtlichen Garagentor-Firma weiterhin nach. Wenn auch nur noch an zwei statt fünf Tagen die Woche. Ebenso wird der landwirtschaftliche Bio-Nebenerwerbsbetrieb selbstverständlich weiterbetrieben. Viele Rollen also, in die Grasser auch im richtigen Leben schlüpft.

Dass Norbert Grasser auf der Bühne als sympathischer Typ rüberkommt und oft Applaus einheimst, sieht man ihm eigentlich schon an: Er ist einfach ein Typ. Komödien wiederum mag Grasser, weil das Publikum sich da amüsiert und es gut bedient wird. In etwa das möchte er auch seiner Gemeinde bieten, sich also gut kümmern. Als Nachfolger der beliebten Gisela Hofmann weiß Grasser, dass da große Fußstapfen hinterlassen wurden. Norbert Grasser will aber auch eigene Akzente setzen. Nicht nur, dass er den Zusatz "in" beim Schriftzug Bürgermeister am Dienstzimmer in Königsfeld ändert. Er sieht auch neue Ansätze bei den Maßnahmen der Dorferneuerung: "Nicht mehr nur Steine, sondern auch mehr Grün, mehr Natur", erklärt der Mann, der sehr an seiner Landwirtschaft hängt.

Anfangs skeptisch

Im Nebenerwerb betreibt die Familie Ackerbau und Mutterkuhhaltung mit einer Herde von derzeit 25 Tieren der Rassen Charolais und Limousin. Dabei helfen ihm Ehefrau Elisabeth und Sohn Ulrich. Dieser und zwei Schwestern leben mit am Hof, die dritte Tochter in Wattendorf. "Familie ist mir wichtig", unterstreicht der 61-Jährige. Freilich war die Ehefrau anfangs skeptisch, als sie von den Bürgermeisterplänen des Ehemanns hörte. Mittlerweile stehen jedoch alle fest hinter ihm, zeigt sich Grasser zufrieden. So hat er den Rücken frei für die Projekte, die er für seine rund 1300 Einwohner und sieben Gemeindeteile zählende Kommune umsetzen möchte.

Ortsmitte aufwerten

Beschlossene Sache ist der Abriss des energetisch nicht mehr zeitgemäßen und statisch maroden Gebäudes in der Hauptstraße 21, das auch der Feuerwehr nicht mehr ausreichend Platz bietet und Gemeinderäume wie Sitzungssaal und Bürgermeisterbüro beheimatet. An dieser Stelle sollen Parkplätze entstehen. Gleich in der Nähe hatte die Gemeinde das sogenannte Thein-Haus erworben.

Dieses will Grasser sanieren, die Ortsmitte aufwerten. "Eine Machbarkeitsstudie läuft." Dabei böten sich auf dem fast 10 000 Quadratmeter großen Areal weitere Möglichkeiten, findet Grasser. Für die Sicherung der Nahversorgung, oder für einen Arzt, aber auch für die Betreuung älterer Bürger.

Das wird wohl noch etwas dauern. Was dem Bürgermeister auf jeden Fall schon jetzt zu lange dauert, ist der Breitbandausbau. "Das muss schneller gehen", findet er. Auch in Sachen Klärschlammentsorgung soll Königsfeld aktiv werden.

Stolz ist der Bürgermeister übrigens darauf, dass im Gemeindegebiet kein Landwirt Flächen für die Ausbringung zur Verfügung stellt. Noch in diesem Jahr sollen Versuche laufen, Wasser aus dem Klärschlamm zu pressen und den Rest thermisch zu verwerten. Freilich wäre es ihm am liebsten, wenn man das Phosphat zurückgewinnen und dem Kreislauf zuführen könnte. "Die Phosphatvorräte sind endlich."

Schon als Landwirt, der die Landschaft und die Natur liebt, denkt Grasser langfristig. Langfristig hätte er im Moment auch gar nichts gegen eine weitere Amtszeit. Denn: "Als Rentner nur mit dem Hund spazieren zu gehen, das ist nichts für mich."

Service und Reklamationen

In der Firma hatte er mit dem Bürgermeisteramt eigentlich ganz aufhören wollen. Sein Chef bat ihn aber, zumindest noch seinen Nachfolger einzuarbeiten. Grasser, staatlich geprüfter Maschinenbautechniker, ist im Außendienst für Service, Reklamation und Torsteuerungen im Einsatz. Für Service und Reklamationen im weiteren Sinn sei er nun zusätzlich im Bürgermeisteramt zuständig, meint er verschmitzt.

Sein Chef sitzt übrigens ebenfalls im Gemeinderat und in der gleichen Gruppierung wie er selbst, also im Bürgerblock. Doch hier werden dann die Rollen getauscht: "In der Firma ist er der Chef, im Gemeinderat bin ich es", erwähnt Norbert Grasser schmunzelnd.

Ganz im Reinen und zufrieden mit sich und der Welt droben auf dem Jura, die er so mag: "Hier hat man sich schon immer geholfen." Vielleicht auch weil jeder jeden kennt.

Und so bleibt Grasser als Gemeindeoberhaupt selbstverständlich der Norbert oder Nobbi. Der mittwochs am Stammtisch Krawallo kartelt (sobald es die Corona-Vorgaben erlauben) und beim nächsten Theaterstück wieder mit auf der Bühne steht. Dann allerdings nur in einer Nebenrolle. Weil das Bürgermeisteramt gleich nach der Familie für ihn die größte Rolle "spielt".

Prüfsteine Frage: Vor der Wahl haben wir allen Bürgermeisterkandidaten unter anderem diese Frage gestellt: Bei welchen drei Themen sehen Sie am meisten Handlungsbedarf in Ihrer Gemeinde und wie wollen Sie diese anpacken?

Norbert Grasser: Das sind die Umsetzung der Ziele der Integrierten Ländlichen Entwicklung (ILE), die Umgestaltung der Dorfmitte und die Ertüchtigung der Kläranlage. Für alle drei gibt es keine Patentrezepte. Wir werden aber Zug um Zug entscheiden, welche Maßnahmen wir ergreifen werden.