Franken wird zum Strom-Transitland
Autor: Günter Flegel
Bamberg, Donnerstag, 18. April 2013
Zwei der vier neuen Strom-Autobahnen, die einen Blackout in Deutschland verhindern sollen, führen durch Nordbayern. Während Politik und Netzbetreiber aufs Tempo drücken, fürchten die Gegner der Großprojekte, dass die Bürger überrollt werden könnten.
Dass sich Deutschland kurz vor der Abschaltung der Atomkraftwerke so langsam Gedanken macht über die Lagerung des strahlenden Mülls, spricht für eine gewisse energiepolitische Gelassenheit. Dass aber eineinhalb Jahre vor dem Zapfenstreich in Grafenrheinfeld noch nicht klar ist, wie ab dem 1. Januar 2016 der Strom nach Bayern fließen soll, trägt schon die Züge eines Blindflugs. Nachts. Mit leerem Tank.
Im Moment machen viele Zahlen die Runde, Statistiken und Informationen zum Stand der Dinge, sprich zum Netzausbau. Dis Bundesregierung hat dazu eigene Internetseiten geschaltet, die großen Netzbetreiber wie Tennet (Oberfranken) und 50 Hertz (Thüringen) starten Informationsinitiativen, um die Bürger für den Schritt zu gewinnen, an dem sich der Erfolg oder das Scheitern der Energiewende entscheidet: den Ausbau der Stromnetze.
Wie ein Spinnennetz
Fakt ist: Nach der Abschaltung der Atomkraftwerke wird nicht mehr oder weniger Strom verbraucht und erzeugt als vorher. Aber die Energie entsteht nicht gebündelt und wird wie im Spinnennetz verteilt. Wind-, Sonnen- und Biomassekraftwerke erzeugen an vielen Punkten Strom in kleinen Portionen, der gesammelt und zum Verbraucher gebracht werden muss. Spinnennetz andersherum.
Ähnlich wie die Straßen und Bahnlinien, die nach der Wiedervereinigung gebaut wurden, braucht Deutschland für seine kernkraftfreie Zukunft Stromautobahnen, die vor allem den an Nord- und Ostsee sowie in den neuen Bundesländern im Überfluss produzierten Sonnen- und Windstrom in den Süden bringen müssen, wo die energieintensive Industrie sitzt.
Zum - geringsten - Teil können dazu bereits vorhandene Trassen genutzt, sprich ausgebaut werden. Dass von den geschätzt 1800 neuen Leitungskilometern aber erst knapp 300 gebaut und der allergrößte Teil noch nicht einmal geplant ist, beweist, dass die Energiewende ein spannendes Thema bleibt.
Franken fällt im neuen System der Stromverteilung eine der Schlüsselrollen zu, wenn auch nur als Transitland, denn von dem Strom, der durchs Frankenland fließt, hat die Region nicht viel. Zumindest nicht beim spektakulärsten Projekt, der langen Leitung von Bad Lauchstädt in Sachsen nach Meitingen bei Augsburg. Hier wird erstmals in Deutschland auf so einer Strecke (400 Kilometer) die Gleichstromtechnik eingesetzt, mit der sich große Energiemengen verlustfreier als in den gängigen Wechselstromnetzen transportieren lassen.
"Das ist quasi der ICE beim Strom", sagt Mark Lieberknecht vom Netzbetreiber Tennet in Bayreuth. Die Gleichstromtrasse soll auch nichts anderes: den Strom von A nach B bringen, ohne Abzweigstellen unterwegs.
100 Kilometer breiter Korridor
Für die Trasse gibt es die zwei Knotenpunkte, dazwischen einen etwa 100 Kilometer breiten Korridor, in dem die Leitung laufen könnte. "Konkrete Trassen gibt es noch nicht", beruhigen sowohl Tennet als auch ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums in München, denn hier wie dort ist man auf Widerstand in den Regionen gefasst, in denen die 100-Meter-Masten bis 2022 stehen könnten/müssten.
Ehrgeiziger ist der Zeitplan für die zweite deutsch-deutsche Stromautobahn, den Lückenschluss von Bad Lauchstädt nach Redwitz im 380.000-Volt-Wechselspannungsnetz. Hier drücken die Wirtschaftsministerien in Bayern und Thüringen aufs Tempo. "Bis Ende 2015, wenn das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld vom Netz geht, muss die Leitung stehen", fordert Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil, (FDP), der im Sommer mit seinem Amtskollegen aus Thüringen die Trasse bereisen will, in der der Lückenschluss stattfinden soll. Die Endlagersuche dauert länger ...