Druckartikel: Unterschriften übergeben: Unterkunft für Flüchtlinge weckt Ängste in Bamberg

Unterschriften übergeben: Unterkunft für Flüchtlinge weckt Ängste in Bamberg


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Donnerstag, 27. Oktober 2016

Die Initiatoren einer Petition gegen den Ausbau der Aufnahmeeinrichtung übergaben 3000 Unterschriften an Sozialministerin Emilia Müller (CSU).
3000 Bürger der Region haben eine Petition gegen den Ausbau der Aufnahmeeinrichtung unterschrieben: Markus Ritter (r.), einer der Initiatoren der Internet-Abstimmung, übergab die Unterschriften im Beisein von OB Starke (SPD) an Sozialministerin Emilia Müller (CSU).   Foto: Matthias Hoch


Für Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) war der Besuch in Bamberg gewiss kein leichter. Im Stadtrat musste sich die 65-jährige Landespolitikerin die geballten Vorwürfe von fünf Fraktionen und mehreren Einzelsprechern anhören, die sich allesamt in einem Punkt einig waren: 1500 sei die für Bamberg gebotene Maximalkapazität der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken.

So unangenehm die Welle der Empörung war, Müller ging dem Protest dennoch nicht aus dem Weg, sondern wies beharrlich auf die Verbesserungen hin, die der Freistaat aus ihrer Sicht für Bamberg erreicht hat. Hört man Müller, dann war es das Ziel des Bundes, alle Balkanflüchtlinge in Deutschland in der Einrichtung in Bamberg zu konzentrieren und ihre Fälle dort zu bearbeiten. Gegen diese Pläne habe die Staatsregierung ihr Veto eingelegt. Nach Bamberg kamen nur solche Flüchtlinge aus den Westbalkanstaaten, die auch in Bayern die Grenze überschritten. Ihr Zustrom ist mittlerweile so gut wie versiegt.

Was für Bamberg auf dem Spiel stand, verlautete aus dem Umfeld von Müller: Demnach lag die ursprünglich vom Bund ins Auge gefasste Kapazität der Großunterkunft bei 15 000 (!) Plätzen.

Die Sozialministerin warb auch um Verständnis für die Entscheidung, dass die Erstaufnahmeeinrichtung in Bayreuth aufgelöst und nach Bamberg verlagert wurde. "Es ist wichtig, dass wir mit den Steuergeldern so sparsam wie möglich umgehen", sagte sie mit Blick auf den Obersten Rechnungshof und auf die Kosten von 2,6 Milliarden Euro, die 2016 im bayerischen Sozialhaushalt für Asylbewerber aufgewendet werden. Dazu muss man wissen: Der Freistaat bekommt die Bundesimmobilien in Bamberg mietfrei, was etwa in Bayreuth nicht der Fall ist und daher viel Geld einspart.

"Ich nehme die Sorgen und Ängste der Bamberger Bürger sehr ernst", sagte Müller mehrfach in Bamberg. Immer wieder betonte sie auch, dass die Belastung für Bamberg durch das neue Ankunftszentrum weit geringer sein werde als befürchtet. Grund: Die Flüchtlinge, die ins so genannte Ankunftszentrum kommen, sollen hier nur registriert, von den Mitarbeitern des Bundesamts angehört und umgehend in weitere Aufnahmeeinrichtungen in ganz Deutschland gebracht werden. "Sie sind hier nur vier bis sechs Tage und gehen dann weiter", sagte Müller. Alles bleibe unter der Regie des Landes, unabhängig davon, dass das Bundesamt mittlerweile einen Mitarbeiterstab von 130 Personen aufgebaut habe und auf 170 verstärken werde.

Auch auf die wiederholte Kritik der Flüchtlingshilfeorganisation "Freund statt Fremd" und der Grünen ging sie ein. Laut der Ministerin kümmern sich ab November fünf Fachkräfte um die Asylsozialberatung in der Bamberger Unterkunft; man achte zudem auf eine gute medizinische Versorgung und halte für die Sechs- bis 21-Jährigen von der Grund- bis zur Berufsschule Angebote in der Einrichtung vor. Wegen der dadurch in Beschlag genommenen Räume sinke die Kapazität um weitere Plätze auf 3400, sagte Müller. Nicht zuletzt in der umstrittenen Frage der Belegungsdichte kündigte Müller Besserung an. Man wolle die Fläche für jeden Flüchtling erhöhen.
Freilich: Vielen Bambergern reichen die Zusicherungen der Staatsregierung bei weitem nicht aus. Sie wünschen, dass eine Ghettobildung vermieden, dass die Aufnahmeinrichtung auf 1500 Plätze begrenzt und zusätzlicher Wohnraum für die gesamte Bevölkerung gewonnen wird. Daran hielt auch Markus Ritter fest, einer der Initiatoren der Petition "Stoppt den Ausbau der Aufnahmeeinrichtung auf 4500" auf change.org. Wie Ritter bei der Übergabe von annähernd 3000 Unterschriften an Emilia Müller sagte, gehe es den Anwohnern und vielen anderen Bambergern um eine angemessene Größe der Einrichtung.


Keine faire Verteilung

Auch eine auf 3500 reduzierte Kapazität bedeute eine unverhältnismäßig hohe Belastung in einer Stadt wie Bamberg und widerspreche der bayerischen Asyldurchführungsverordnung, in der eine faire Verteilung geregelt sei. Ritter wies Müller darauf hin, dass die große Dimension der Flüchtlingsunterkunft in Bamberg auch deshalb kritisch beurteilt wird, weil in der Stadt kostengünstiger Wohnraum händeringend gesucht werde, wie er gerade in der Flynn-Siedlung vorhanden sei. Die Dimension der Aufnahmeeinrichtung behindert aus seiner Sicht eine vernünftige Stadtentwicklung.

Kritische Worte zur Politik der Staatsregierung kamen in der Sitzung auch von Heinz Kuntke (SPD), von Anna Niedermaier (CSU), Norbert Tscherner, Annette Neumann (beide BBB) und von Heinrich Schwimmbeck (BaLi). Daniela Reinfelder (BUB) prangerte an, dass Sicherheitsdienst und Küchenkräfte keinen Anschlussvertrag erhielten - mit der Folge, dass es vor Ort etliche Entlassungen gab. Offen blieb die Antwort auf ihre Frage, wie man glaubhaft für Sicherheit bei künftig bis zu 3400 Bewohnern sorgen wolle, wenn es jetzt schon Probleme mit wenigen Nordafrikanern gebe. "Die Leute haben definitiv Angst", sagte sie.

Zweifel an der Notwendigkeit eines mit 3500 Plätzen sehr üppig bemessenen Raumpuffers äußerte auch FDP-Stadtrat Martin Pöhner. Es gebe keine Notsituation mehr. Pöhner erinnerte auch daran, dass sich die Flüchtlingsunterkunft mitten zwischen zwei Wohngebieten befindet. "Dass es hier Probleme gibt, ist vorprogrammiert."