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Flüchtlinge: Warum Bamberg München entlasten muss


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Donnerstag, 24. Mai 2018

Die Zuweisung von 150 Nigerianern hat die Aufnahmeeinrichtung in Bamberg wieder stark wachsen lassen. Ist sie die größte Einzelunterkunft in Bayern?
Die Zahl der Migranten aus Afrika in der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken ist in den letzten Wochen kräftig gestiegen.  Ronald Rinklef


Es ist kaum zwei Wochen her, dass Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Einhaltung einer Belegungsobergrenze von 1500 Flüchtlingen in der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) versprach.

Nun steigt die Zahl der Menschen im Lager an der Pödeldorfer Straße wieder an. Zum Stand 17. Mai lebten nach Auskunft der Regierung von Oberfranken 1427 Menschen aus über 15 Nationen hier - das ist eine der höchsten Zahlen seit dem Start der Einrichtung. Nach Erkenntnissen des Bayerischen Flüchtlingsrats hat Bamberg damit die größte Einzelunterkunft in Bayern.


"Entlastungsbusse" aus München

Grund für das rasche Wachstum: Bamberg soll die Unterbringungskapazitäten in anderen Regierungsbezirken entlasten. Das erklärt der Sprecher der oberfränkischen Bezirksregierung, Jakob Daubner. Konkret heißt das: Die Aufnahmeeinrichtung Oberbayern gibt nigerianische Flüchtlinge in hoher Zahl an Bamberg ab.

Seit Anfang April wurden 149 Menschen aus dem westafrikanischen Land in vier Bussen nach Bamberg gebracht, darunter 40 meist junge Männer ohne Familie. Das ist insofern neu, als Bambergs Aufnahmeeinrichtung nun auch große Unterbringungskapazitäten für eine Gruppe zur Verfügung stellt, für die sie bisher nicht zuständig war.

Nach dem in Bayern gültigen Verteilungsplan durchliefen in Bamberg bisher vor allem Migranten aus Rußland, Eritrea, Georgien und Marokko ihre Asylverfahren. Nun sind auf Platz vier die Nigerianer dazugekommen.

Die Regierung von Oberfranken als Betreiberin der Einrichtung sieht die Verlegung von Flüchtlingen von München nach Bamberg als "typischen Vorgang". Vor einem Jahr habe Bamberg Busse mit Flüchtlingen in die Aufnahmeeinrichtung Schweinfurt geschickt. Nun trage Bamberg dazu bei, eine Überlastung in Oberbayern zu vermeiden, sagt Daubner.


2000 Flüchtlinge in München

Tatsächlich leben derzeit 2000 Flüchtlinge in den sechs Unterkünften der Aufnahmeeinrichtung Oberbayern, darunter 1600 Nigerianer, wie Martin Nell von der Regierung von Oberbayern auf Anfrage mitteilt. Ihre Gesamtkapazität umfasst 2580 Plätze; drei der Dependancen liegen in München, weitere in Fürstenfeldbruck, Garmisch-Partenkirchen und Waldkraiburg.

Eine Lücke zwischen Kapazität und Auslastung klafft offensichtlich auch im so genannten bayerischen Transitzentrum Manching/Ingolstadt, zuständig unter anderen für Migranten aus Nigeria. Dort waren nach einer Mitteilung der Regierung Mitte Mai 1100 Menschen untergebracht, darunter 500 Nigerianer. Die maximale Belegung in Manching liegt bei 2100 Plätzen. Zum Vergleich: Bamberg hat eine maximale Kapazität von 3400 Plätzen.

Der Bamberger Polizeichef Thomas Schreiber verfolgt die Neuankunft von großen Flüchtlingsgruppen aus Afrika in Bamberg "nicht mit Sorge, aber mit Wachsamkeit". Man müsse davon ausgehen, dass in den nächsten Wochen weitere Busse mit Nigerianern nach Bamberg kommen.

Schreiber stellt fest, dass die Nigerianer in den vergangenen Wochen in Bamberg weder beim Ladendiebstahl noch bei Körperverletzungen aufgefallen seien. Dennoch weckt die schwierige persönliche Situation dieser Flüchtlinge gerade in Sicherheitskreisen Befürchtungen. Denn nur 20 Prozent der Nigerianer haben im bundesweiten Schnitt eine Chance auf Anerkennung als Asylbewerber. Weil das Herkunftsland sie nicht zurücknimmt, sind langwierige Verfahren die Regel und nicht die Ausnahme.


Wie lange bleiben die Menschen?

Die Erfahrung, die man in den letzten Jahren auch in Bamberg gemacht hat, zeigt aber, dass die Anfälligkeit dafür, Straftaten zu begehen, vor allem bei jenen Flüchtlingen wächst, die keine Perspektive haben. Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat geht deshalb davon aus, dass sich die Probleme in Bamberg schon bald wieder aufschaukeln werden. "Die Staatsregierung lügt, wenn sie den Anschein erweckt, als würden die Verfahren nur wenige Wochen dauern. Tatsächlich werden die meisten dieser Menschen wesentlich länger bleiben, teilweise viele Jahre."

Für den Flüchtlingshelfer sind die Folgen dieser Massenunterbringung "ohne Aussicht auf Integration, ohne Akzeptanz" unabhängig von der Nationalität der Betroffenen unausweichlich: "Es wird Stunk, es wird Konflikte geben, und Bamberg muss es ausbaden."


Verschiebebahnhof

Wenig Verständnis für den "traurigen Verschiebebahnhof auf Kosten der geflüchteten Menschen" hat GAL-Stadträtin Ursula Sowa. Auch der Ombudsrat der AEO sei bislang nicht über die Entwicklungen informiert worden. "Der Freistaat tritt alle Forderungen der Stadt Bamberg mit Füßen", sagt Sowa auch mit Blick auf die bisher nur versprochene Evaluierung der AEO.

Kritik an der Verlagerung zusätzlicher Flüchtlinge nach Bamberg kommt auch von der anderen Seite des politischen Lagers. CSU-Fraktionschef Helmut Müller nimmt kein Blatt vor den Mund: "Das ist die typische Benachteiligung des Nordens durch den Süden. Das kann nicht gerecht sein."