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Theater in Bamberg: Flucht vor der Zwangsehe
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Dienstag, 10. Januar 2017
Lebensgeschichten von Frauen, die ihre Heimat verloren, thematisiert das Theaterstück "Ich habe einen Traum". Mitwirkende sprachen über ihre Erlebnisse.
Tränen. "Zarah" weint, schluchzt, schreit ihren Schmerz heraus. Sie kauert am Boden - neben ihrer großen Schwester, die das verzweifelte Mädchen an sich drückt. "Sibel" versucht zu trösten, obwohl ihr bewusst ist, wie hoffnungslos "Zarahs" Situation ist. Sie weiß, wie es ist, in eine Ehe mit einem ungeliebten Mann gezwungen zu werden. Mit ihm das Bett zu teilen, seine Kinder zur Welt zu bringen, sich als Eigentum eines Fremden zu fühlen. - Eine Szene aus dem Stück "Ich habe einen Traum", das Geflüchtete und deutsche Darstellerinnen gemeinsam entwickelten und nun letztmals auf der Bühne der Alten Seilerei zeigen: am 13. und 15. Januar.
Die eigene Geschichte
"Klasse, Sausan", sagt Ila Stuckenberg, die neben Cornelia Morgenroth Regie führt. Die 15-jährige Darstellerin der "Zarah" lächelt und wendet sich wieder Emel (Name von der Redaktion geändert) zu, die ihre große Schwester spielt. Dabei ist es Emels Geschichte, die nun in Kürze wieder vor Publikum gezeigt wird: Ihre Geschichte und die anderer Frauen aus Afghanistan, Syrien und der Türkei, verwoben mit den Lebenswelten deutscher Darstellerinnen. Was Zuschauer bei den ersten Vorstellungen so berührte, "dass wir das Stück nach dem Erfolg wieder aufnehmen", wie die Leiterin der Theaterschule berichtet, in der sich gerade einige Akteurinnen und andere Mitwirkende treffen.
Ohne Pass geflohen
"Ja, ich sollte einen Mann heiraten, den ich nicht liebe. Ich liebte einen anderen", sagt Emel, die aus Albanien nach Deutschland kam. "Die meisten Ehen in meiner Familie werden arrangiert, das ist normal", so die 24-Jährige, die Jura studierte, bis sie ihre Heimat verließ. "Hätte ich geheiratet, hätte mir mein Mann verboten, zu arbeiten. Ich hätte zu Hause bleiben müssen - wie viele Frauen bei uns." Das aber wollte Emel nicht und verließ mit ihrem Freund das Land - "ohne Pass, den mein Vater vorsorglich weggeschlossen hatte".
Angst vor der Familie
Eine weitere Mitwirkende des Theaterstücks nickt. Sie fühlt mit Emel, nachdem sie Ähnliches durchlitt. Aber die 28-Jährige fürchtet sich selbst in Deutschland noch, ihre Erlebnisse öffentlich zu machen - aus Angst vor der Familie, der übermächtigen Familie.
In Kartons versteckt
Emel erzählt weiter, von ihrer Flucht mit dem Freund in einem Lastwagen. "Wir versteckten uns in Kartons, in denen man sich kaum rühren konnte." Im Juli vergangenen Jahres kam das Paar in Deutschland an - und bald darauf in einer Bamberger Flüchtlingsunterkunft unter.
Kein gemeinsamer Neuanfang
Alle Hoffnungen auf einen gemeinsamen Neuanfang zerstreuten sich aber, nachdem Miri, Emels Freund, abgeschoben wurde. Was nun der 24-Jährigen droht, die um keinen Preis zurückkehren möchte. "Ich habe in Bamberg inzwischen Freunde gefunden, unterstütze andere Flüchtlinge und würde gerne weiterstudieren", sagt die Albanierin, die auch im Chor einer Kirchengemeinde singt. Fließend Deutsch zu sprechen hat Emel problemlos gelernt, nachdem sie so viele Kontakte zu Bambergern knüpfte. "Ich habe hier mittlerweile ein Leben, das ich nicht wieder verlieren möchte": Ein selbstbestimmtes Leben, das Emel in der alten Heimat - unter dem Druck ihrer Familie nie führen könnte. "Da fühlte ich mich alleine, ohnmächtig gegenüber all den anderen, die über mich bestimmen wollten."
Keine Arbeit, keine Zukunft
Mit 18 Jahren verlor Zeinab ihre Heimat. Sie flüchtete mit ihrem Mann vor den Taliban aus Afghanistan in den Iran, wo das Paar auf Dauer ebenfalls nicht bleiben konnte. "Es gab keine Arbeit, es gab für uns keine Zukunft." Die einzige Hoffnung: Europa, Deutschland, wohin das Paar mit Töchterchen Mohadse im vergangenen Jahr flüchtete. Aber auch dieser Familie droht die Abschiebung. "Am schlimmsten ist für mich der Gedanke, dass meine Tochter zurück muss. Sie lernt so fleißig, spricht mit acht Jahren schon sechs Sprachen." Was für ein Leben würde das Mädchen in Afghanistan führen, wo die meisten Frauen erst ihrem Vater und später dem Ehemann gehören.
Mit der Pflegemutter
Inwieweit werden Emel und Zeinab, die in eine ungewisse Zukunft blicken, Hoffnungen und Träume umsetzen können? Träume, um die es in dem Theaterstück geht, das nun am 13. und 15. Januar ab 19.30 Uhr wieder auf der Bühne der Alten Seilerei zu sehen ist. Vielleicht hat Esma (Name geändert), die aus Syrien flüchtete, dank einer Bamberger Familie eine Zukunft. Ihre Pflegemutter, die mit ihr in die Theaterschule kam, wollte angesichts der Flüchtlingskrise nicht untätig bleiben und bereute ihre Entscheidung nicht. "Esma bedeutet für uns eine große Bereicherung: Wir lernen über sie eine andere Kultur kennen - und ein bisschen Arabisch können wir mittlerweile auch." Was Esma zum Schmunzeln bringt: "Ja, Wie geht es Dir?"