Fiskus setzt auf Zettelwirtschaft: Bonpflicht kommt definitiv am 1. Januar 2020
Autor: Stephan Großmann
Bamberg, Montag, 16. Dezember 2019
Händler müssen ab 1. Januar 2020 für jede Zahlung einen Kassenzettel ausgeben. Die Betriebe sind dagegen, Umweltschützer sind entsetzt. Die Finanzämter sprechen von Steuergerechtigkeit - es geht um Milliardenbeträge-
"Zwei Brötchen, eine halbes Mischbrot und drei Brezn, bitte." Sätze, die täglich in Deutschland gesprochen werden. Auch in den Filialen des Bamberger Bäckermeisters Alfred Seel. Kopfschüttelnd blickt er in Richtung Jahreswechsel, wenn er für jede verkaufte Tüte einen Kassenzettel ausgeben muss. Dies sieht das sogenannte Kassengesetz vor, das ab dem 1. Januar 2020 gilt. Betroffen sind nicht nur Bäckereien, sondern alle Händler, die ein elektronisches Kassensystem haben.
Weil Händler zwar zur Ausgabe, Kunden aber nicht zur Mitnahme verpflichtet sind, bleiben die Betriebe wohl auf den Müllbergen sitzen. Alleine in seinen drei Läden erwartet Alfred Seel 300 Kilogramm Papiermüll mehr pro Jahr. Der landet als Abfall in der Verbrennungsanlage - da Bons in der Regel auf Thermopapier gedruckt sind.
Neben Belastungen für Umwelt und Gesundheit führen die Kritiker des Kassengesetzes hohe Kosten und den bürokratischen Aufwand an. Die Behörden rechtfertigen den Schritt damit, dass der Staat immense Summen verliere, weil Unternehmen ihre Umsätze mit manipulierten Kassen oder fingierten Rechnungen nicht oder nur unzureichend erfassten. Wie Bundesrechnungshof und Deutsche Steuer-Gewerkschaft (DTSG) schätzen, gehen dem Fiskus jährlich mindestens zehn Milliarden Euro verloren.
"Die Diskussion ist völlig überdreht, Umweltaspekte halte ich für vorgeschoben", sagt der DTSG-Bundesvorsitzende Thomas Eigenthaler. Die Kunden würden instrumentalisiert, um eine steuerpraktische Notwendigkeit zu unterwandern. Eigenthaler hofft nicht nur auf ein Ende des Steuerbetrugs, sondern auch auf einen unverzerrten Wettbewerb. "Der ehrliche Unternehmer muss höhere Kosten kalkulieren." Das Gesetz mache dem Kunden transparent, ob sein Geld ordnungsgemäß verbucht wurde, weil es die Manipulation an elektronischen Kassen verhindert.
Das funktioniert so: Startet ein Verkaufs- oder Bestellvorgang, erfragt eine sogenannte Technische Sicherheitseinrichtung (TSE) eine Transaktionsnummer. Diese wird gespeichert, ohne Spuren lässt sie sich nachträglich nicht mehr löschen.
Einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Yougov zufolge nimmt aber nur jeder zweite Verbraucher in Deutschland beim Einkaufen den Bon mit. Vor allem Frauen und ältere Kunden stecken häufig den Beleg ein. Im neuen Gesetz heißt es explizit, die Bons könnten auch digital ausgegeben werden. Wie die Umfrage zeigt, stößt aber ein Beleg per Mail oder Messenger bei vielen Kunden noch auf Skepsis.
Technik noch nicht flächendeckend da
Egal ob Zettel oder App: Für die Technik sind moderne Kassensysteme notwendig, die das unterstützen. Für viele Betriebe heißt das nachrüsten oder neu kaufen. Nur sind die Kassenhersteller längst nicht soweit, diese Technik flächendeckend zur Verfügung zu stellen. Zu spät einigten sich Experten und Ministerium auf eine gemeinsame Lösung. Heißt: Selbst wenn die Händler wollten, viele könnten zum Januar gar nicht umstellen. Der Finanzminister lenkte ein und gewährte eine Übergangsfrist. Neues Startdatum: Herbst 2020.