Grundrechte in Corona-Zeiten: Geht der Staat zu weit?
Autor: Günter Flegel
Würzburg, Mittwoch, 22. April 2020
Ausgangsbeschränkung, Versammlungsverbot, geschlossene Kirchen: Die Corona-Krise schränkt unsere Freiheit massiv ein. Verfassungsschützer schlagen Alarm.
Er mag künftig mit Mundschutz noch schwieriger sein, aber wahrscheinlich bleibt er ohnehin aus: der große Aufschrei im Land, der den Staat daran erinnert, dass er sich gefälligst nicht an den Grundrechten zu vergreifen hat. Denn genau das findet aktuell statt, mit gutem Grund zwar, um die Ausbreitung des Coronavirus' zu verhindern - aber immer auch mit Augenmaß? Wir haben einige grundlegende Artikel des Grundgesetzes einem Faktencheck unterzogen und Verfassungsrechtler gefragt: Wie weit darf der Staat gehen?
Art. 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Der Grundpfeiler des Grundgesetzes ist zudem der einzige, der nicht von vorneherein unter dem Vorbehalt steht, dass dieses Recht per Gesetz eingeschränkt werden kann. Im Grunde heißt das: Wer sich durch Ausgangsbeschränkungen oder Maskenpflicht in seiner Würde verletzt sieht, könnte beim Bundesverfassungsgericht klagen. Die Erfolgsaussicht? Wohl eher minimal ...
einer Persönlichkeit .... Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
Art. 2: Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit .... Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
Dieses Grundrecht gilt per se nicht unbeschränkt; sonst dürfte es keine Freiheitsstrafen geben. Grundsätzlich halten Staatsrechtler wie Stephan Brixen (Universität Bayreuth) und Horst Dreier (Universität Würzburg) Ausgangsbeschränkungen zum Schutz vor Corona für gerechtfertigt - sofern ihre Verhältnismäßigkeit laufend überprüft wird. Eine generelle Ausgangssperre wäre in Deutschland nach Rixens Einschätzung "rechtlich nicht haltbar".
Art. 3: Alle Menschen sind ... gleich.
Corona trifft alle, und auch die Corona-Maßnahmen betreffen jeden. Damit ist der Grundsatz nicht verletzt.
Art. 4: (Freiheit des Glaubens) ... Die Religionsausübung wird gewährleistet.
Das gilt durch die Corona-Maßnahmen nurmehr eingeschränkt. Das Gottesdienst-Verbot ist nach Dreiers Worten ein "schwerwiegender Eingriff", zumal es hinreichend wirksame Mittel gäbe, das Infektionsrisiko auch in einer Kirche zu minimieren. Gerade in Krisen-Zeiten bräuchten Menschen Halt und Beistand, virtuelle Gottesdienste "sind kein Ersatz für die Gemeinschaft".