Druckartikel: Fata Morgana an der Regnitzmündung

Fata Morgana an der Regnitzmündung


Autor: Sebastian Schanz

Bamberg, Dienstag, 19. März 2019

Nach dem Muna-Debakel kann die Stadt Firmen derzeit kaum Gewerbeflächen anbieten. Potenzial wird einem 53 Hektar großen Gelände nördlich der B 26 zugeschrieben. Doch dort ist in den 90ern schon einmal eine Erschließung gescheitert.
Gewerbehallen überragen das "Potenzialgebiet".  Foto: Sebastian Schanz


Vom Satelliten aus betrachtet scheint die Sache klar: Als Erweiterung des großen Bamberger Gewerbegebiets am Hafen wirkt das Areal an der Regnitzspitze geradezu prädestiniert. Umrahmt von den Verkehrsadern B 26 und A 70, in Sichtweite hoher Industriehallen.

Doch wer das Gebiet zu Fuß durchstreift, der landet mit dieser Einschätzung schnell wieder auf dem Boden der Tatsachen - auf einem sandigen Boden. Kaninchen haben unzählige Tunnel in die lockere Erde gegraben, bald werden es ihnen die Sandbienen gleichtun. Ein aufgeschreckter Vogel flüchtet in Richtung Westen, wo die Regnitz in den Main mündet. Zwischen Sandhügeln und großen Büschen dämmert dem Wanderer, warum dieses häufig genannte wirtschaftliche Entwicklungsgebiet bisher unentwickelt geblieben ist.

Auch der Bamberger Wirtschaftsreferent Stefan Goller kommt zu dem Fazit: "Ein mögliches Gewerbegebiet nördlich der B 26 wird selbst im günstigsten Fall noch auf Jahre hinaus keine Alternative für die Flächenbedarfe unserer Unternehmen bieten."

Pläne reichen zurück in die 90er

Dabei sind bereits einige Jahre der Planung für dieses Areal aufgewendet worden. "Die Überlegungen, ein Gewerbegebiet nördlich der B 26 zu etablieren, sind bereits deutlich älter als die kürzlich gescheiterten Pläne zur Entwicklung der Muna", erzählt Ruth Vollmar, Leiterin der Wirtschaftsförderung. "Bereits in den 1990er Jahren gab es umfangreiche Untersuchungen über die Eignung der insgesamt rund 53 Hektar großen Fläche für eine gewerbliche Entwicklung. Infolgedessen wurde die Fläche als Gewerbegebiet im Flächennutzungsplan der Stadt Bamberg gekennzeichnet und gilt seitdem als Potenzialfläche für eine gewerbliche Entwicklung".

So viel zur Theorie - doch die Realisierung ist so schwierig, dass die Stadtplaner in den 90ern die Finger davon ließen. Zunächst ist da das Hochwasser: Bei dem Areal handelt es sich um ein festgesetztes Überschwemmungsgebiet, das im Falle eines 100-jährlichen Hochwassers überflutet würde. "Bevor hier ein Gewerbegebiet mit entsprechender Bebauung verwirklicht werden könnte, müssten sehr aufwendige Vorarbeiten durchgeführt werden, zum Beispiel die Schaffung von Flutmulden, die Auffüllung von Flächen und so weiter", heißt es von Seiten der Stadt. Teilweise müssten die Senken um ein bis zwei Meter erhöht werden, Geländemodellierung von enormen Ausmaßen: In den 90ern habe man über den Einsatz von Wasserbaggern im Fluss nachgedacht, erinnert sich ein Insider.

Und dann wären da noch die bürokratischen Senken: Will eine Kommune in einem Überschwemmungsgebiet bauen, muss sie nachweisen, dass "für den gewünschten Zweck keine anderen Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung bestehen oder geschaffen werden können", wie Vollmar erklärt.

Hallstadt signalisiert Widerstand

Selbst wenn das bewiesen würde, stünden die Planer vor dem nächsten handfesten Problem: "Die Gesamtfläche besteht aus einer Vielzahl von Grundstücken, die sich überwiegend in Privateigentum befinden", erklärt die Stadt. "Die Hallstadter Bauern werden das sicher nicht für ein Butterbrot hergeben", sagt der Insider.

Und auch die Hallstadter Stadtspitze signalisiert Widerstand - wegen der Überschwemmungsflächen: "Die Planungen des Freistaates Bayern und des Wasserwirtschaftsamtes Kronach zur Ertüchtigung des Hochwasserschutzes in Hallstadt und auch in unserer Nachbarkommune Kemmern gehen davon aus, dass diese Retentionsflächen entlang des Mains bestehen bleiben", erklärt Pressesprecherin Janina Selig das Argument der nördlichen Nachbarn. "Aus unserer Sicht ist es nicht möglich, an diesem Standort Gewerbe anzusiedeln."

Auf der anderen Seite, in Bischberg, blickt Bürgermeister Johann Pfister (BI) gelassen auf die Bamberger Pläne. "Wir können erst konkret etwas dazu sagen, wenn wir die Planungen kennen, denn das, was vor Jahren geplant war, ist ja nicht mehr aktuell." Was er nicht sagt: Es wird noch viel Wasser aus der Regnitz in den Main laufen, bis hier überhaupt etwas entstehen könnte.

So sehen es letztlich auch die Bamberger Planer: "Aus den genannten Gründen wurde der Planung eines Gewerbeparks auf dem ehemaligen Muna-Gelände in den letzten Jahren der Vorrang gegeben", erklärt Goller. Dennoch habe die Stadtverwaltung die Flächen nördlich der B 26 nicht aus den Augen verloren und ist nach wie vor in Gesprächen, unter anderem mit dem Wasserwirtschaftsamt und dem Bayernhafen, wie diese Flächen einer gewerblichen Nutzung zugeführt werden können. Bevor der neue Gefängnisstandort bei Burgebrach gefunden war, war auch ein Neubau hier an der B 26 im Gespräch.

Die wirtschaftliche Entwicklungsrichtung Bambergs beschreiben die Verantwortlichen im Rathaus derzeit als alternativlos: "Denn an anderer Stelle im Stadtgebiet gibt es keine größeren zusammenhängenden Flächen mehr, die sich für die Ausweisung eines Gewerbegebiets eignen."

Der Bund Naturschutz sieht das anders. Er verweist darauf, dass die Stadt Bamberg im statistischen Vergleich relativ viel Gewerbeflächen hat. Zum Gebiet nördlich der B 26 sagt der Vorsitzende Martin Bücker: "Das Gebiet ist problematisch." Sandmagerrasen und Hochwasserflächen: "Hier findet sich ein Mosaik aus verschiedenen Biotop-Typen." Bücker erkennt darin eine Scheindiskussion, in deren Schatten erneut die Muna in den Fokus der Gewerbeansiedlungen genommen werden soll - und kündigt Widerstand an.