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Fasching in Oberhaid: Messerstecher sollen umerzogen werden


Autor: Rudolf Görtler

Oberhaid, Samstag, 09. Februar 2013

Die Oberhaider zeigten am Samstag, dass sie mit Frotzeleien souverän umgehen können.
Fotos: Rudolf Görtler


Dass ein nicht gerade positives Image sich wider alle Tatsachen zäh hält, müssen nicht nur manche Automarken und Politiker leidvoll erfahren, sondern auch Einwohner jener schönen Gemeinde im Maintal, die bis heute als Raufbolde, "Messerstecher" gar, gelten. Dabei weiß doch jeder (Oberhaider), dass das nicht stimmt. Jedenfalls nicht mehr. Sind doch die Oberhaider zu jeder Menge Selbstironie fähig. Was zu beweisen war und beim Faschingszug am Samstag bewiesen worden ist.

1225. Geburtstag wird in diesem Jahr gefeiert, was 30 Jahre nach der 1200-Jahr-Feier eine eigene Pointe ist. In Oberhaid sind die Uhren halt schon immer ein bisschen anders gegangen als im Rest der Welt. Dafür hat die Gemeinde zwei Wagen ins Faschingsfeld geführt, Streitwagen wider das o. a. schlechte Image. "Ihr Oberhaader strengt euch an / dass der Ruf der Messerstecher bald verschwinden kann" appellierte Bürgermeister Joneitis höchstpersönlich an sein Volk, und allerlei Messer vom Schneidteufela bis zur Machete baumelten an Verkehrsschildern. Umtauschen solle man den Dolch und Oberhaid zur messerfreien Zone machen!

Diesem Ziel diente eine eigens per Flugblatt propagierte Aktion: Messer können abgeliefert werden, dafür erhält der Oberhaider Samthandschuhe. Der wie immer hoch originelle Familienverbund Geus/Wohlleber blies ins gleiche Horn, indem er die Oberhaider - Selbstironie! ¬¬- zu einem "raufenden, saufenden, von Zigeunern abstammenden Volk" erklärte, als Germanenhorde auftrat und während des Zugs auf dem Wagen am offenen Feuer ein Ferkel grillte. Auch die das Spektakel organisierenden Bierkreisfreunde traten als Ur-Oberhaider in "Haidu" auf, und der Blasmusikverein fuhr eine richtige Burg durchs Dorf. Da war der zweite Gemeindewagen mit historischen Bürgermeisterbildern doch ziviler, so wie der Stammtisch "Weizenböcke" in Frack und Zylinder zur 1225-Jahr-Feier seinen 25. feierte.

Überhaupt hatte man den Eindruck, dass sich die Faschings-Protagonisten nach etwas Schwächeln in den letzten Jahren zum Jubiläum besonders ins Zeug gelegt hatten. Hans Morpers berühmte "Oberhaader Wallfahrt" inszenierte der MGV Eintracht samt Jugendblasorchester mit Pfarrer und Ministranten, während der RSC Concordia schottisches Flair mit "Ober-Haid-Ländern" verbreitete: "Sir Jo MäcNeitis die Haidländer zu uns gebracht!" Der lokale Konkurrent FC Oberhaid ging angesichts eher kleiner sportlicher Erfolge in sich: Mit allerlei Gerät dokumentierte er den "Bauernverein im Landesligaschein". Den berühmten Karneval von Venedig imitierte der Carnevals Club Oberhaid mit Gondel und schönen Masken; bodenständiger wiederum gedachte die Freiwillige Feuerwehr Unterhaid vergangener Badefreuden im Dorfsee.

Liebevoll waren wieder die Kinder und ihre Eltern von den lokalen Kindergärten und der Bücherei kostümiert, fetzig spielten die Kapellen auf und trommelte eine Sambagruppe, ganz kleine und ganz putzige Gardemädchen aus Dörfleins tanzten gegen die Kälte an. Dagegen half auch reichlich ausgeschenktes flüssiges Wärmemittel und Bewegung beim Bücken nach Bonbons. Wohl 2000 Zuschauer mochten den Zug gesehen haben, der wie immer um die Brauerei Wagner mündete. Der "Messerstecher"-Wagen fuhr noch durch den ganzen Ort. Weil er gar so schön war.