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Europawahl: Zwei Bamberger für Brüssel


Autor: Markus Klein

Bamberg, Mittwoch, 15. Mai 2019

You Xie und Hans-Günter Brünker treten zur Europawahl an. Bei einem Stadtspaziergang erzählen sie, was sie in Bamberg an Europa erinnert und warum sie sich in der EU engagieren wollen.
Die Bamberger Kandidaten für die Europawahl (v.l.) You Xie (CSU, Listenplatz 25) und Hans-Günter Brünker (Volt, Platz 13 der deutschen Liste der gesamteuropäischen Partei), diskutieren über ihre Ziele für Europa. Foto: Matthias Hoch


Vier spanischsprachige junge Männer googeln am Bratwurst-Stand am Gabelmann, was "Krustenbratenbrötchen" bedeutet. Sie bestellen es und lachen mit der Verkäuferin über die komplizierte Aussprache. Eine junge Frau in Kapuzenpulli setzt sich an den Brunnen vor die Statue des römischen Gottes Neptun und liest, ein Pärchen begrüßt sich herzlich.

Ein 60 Jahre alter Mann im Anzug läuft auf den Brunnen zu. You Xie, Gastronom, Journalist, Verleger, Stadtrat und Bamberger Listenkandidat der CSU für die Europawahl. Er grüßt Hans-Günter Brünker und senkt dabei leicht den Kopf, deutet eine Verbeugung an. Der 52 Jahre alte Schauspieler Brünker tritt bei der Europawahl für "Volt" an, die erste gesamteuropäische Partei, die zur Wahl zugelassen ist. Brünker und Xie sind die beiden einzigen Europawahl-Kandidaten aus Bamberg.

Wo der Wind weht

Xie fragt direkt nach den Zielen der Volt-Partei. "Wir brauchen eine gemeinsame europäische Politik, wie sie nationale Parteiein nicht leisten können", meint Brünker. Als Beispiel nennt er die "wichtige" Energiewende. "Mit den Milliarden aus dem Erneuerbare Energien Gesetz bauen wir in Deutschland Windräder wo zu wenig Wind weht und Solaranlagen, wo kaum Sonne scheint", sagt er. "Europäisch eingesetzt könnten wir mit dem gleichen Geld viel mehr Strom nachhaltig erzeugen". Ebenso benötige es eine gemeinsame Politik bei Migrationsfragen. Nationale Abschottung sei keine Lösung.

Zustimmendes Nicken von You Xie, der Brünker im Anschluss zu dem Ort in Bamberg führt, an dem er am meisten mit Europa verbindet: den Schillerplatz. "Ein Kulturzentrum", so Xie. Das E.T.A.-Hoffmann-Theater, die beeindruckende historische Architektur der Harmonie-Säle - und vor allem das beeindruckende historische Ereignis, das darin stattfand: Die Verabschiedung der Bamberger Verfassung von 1919, der ersten demokratischen Verfassung Bayerns. "Die musste erkämpft werden. Und wir müssen weiter für die Demokratie kämpfen", sagt Xie und fügt mit einem Lächeln an: "Wenn die chinesische Delegation Bamberg besucht, führe ich sie immer hierher."

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Xie kam 1988 zum Germanistik-Studium nach Bamberg. Ein Jahr später fand das Tian'anmen-Massaker in Peking statt, die gewaltsame Niederschlagung eines Studentenprotestes durch das chinesische Militär. Bamberg stellte am Schillerplatz eine Gedenktafel auf, die jedoch der Restaurierung zum Opfer fiel. Xie ist der Meinung, dass Europa nur mit China handeln sollte, etwa bei der neugeplanten Seidenstraße, wenn das "Reich der Mitte" demokratisch würde. "Wenn China einfach so weitermachen kann, ist die Demokratie in Gefahr."

Frieden in Europa

Die Gedenktafel für die Bamberger Verfassung wird von fünf US-amerikanischer Touristen in kurzen Hosen fotografiert. Als sie mit ihrem Reiseführer Richtung Kanal weiterziehen, beginnt Xie zu erzählen. Von seinem Vater, der aus einer alten Kaiserfamilie stammt und als Demokrat während der kommunistischen Kulturrevolution in China inhaftiert wurde. Von seiner Faszination für Europa und der Frage, die seinen Vater und ihn lange beschäftigt habe: Warum war nach dem Zweiten Weltkrieg eine Versöhnung zwischen Deutschland und Frankreich möglich, während China und Japan noch immer verfeindet sind?

Der evangelische Christ sieht die Antwort im gemeinsamen Glauben. Ein Grund für sein Engagement in der CSU. Auch für Brünker, dessen Großvater und Vater die Schrecken der zwei Weltkriege erlebten, steht Frieden im Vordergrund der europäischen Idee. Ein Grund für sein Engagement in der gesamteuropäischen Partei.

Brünker entscheidet sich für die Obere Brücke als den Ort, mit dem er am meisten mit Europa verbindet. Am Brückenende blickt er über die Lange Straße zum Kranen. In diesem Bereich erlitt Bamberg die größten Kriegsschäden. "Aber wir haben es wieder aufgebaut", sagt Brünker. Heute schmücken Schaufenster die restaurierte Fassade. "Wir müssen die Kultur bewahren", sagt Xie und zeigt anerkennend auf die jahrhundertealten Gebäude auf der Brücke.

Aber es muss auch weitergehen. Um mit China, den USA und Indien mithalten zu können, habe Europa gar keine andere Wahl, als zusammenzuhalten, sind sich die Kandidaten einig. "Um handlungsfähig zu bleiben muss die EU dringend reformiert werden", wirft Brünker ein. Xie nickt. "Im Wahlprogramm forderten CDU und CSU schon 2014 das Recht, dass das EU-Parlament Gesetze einbringen kann. Aber es ist nichts passiert", kritisiert Brünker. "Das ist ein langwieriger Prozess", antwortet Xie.

Wenig Chancen

Dass sie nach dem 26. Mai tatsächlich ins Parlament einziehen, glauben beide nicht. "Wir werden deutsche Volt-Kandidaten ins EU-Parlament schicken und in den Niederlanden stehen wir bei vier Prozent", gibt sich Brünker selbstbewusst. "Mit meinem Listenplatz wird es aber eher schwierig." Er steht auf Platz 13 der deutschen Liste. Um nicht "ein Stück weit die Seele zu verkaufen", so Brünker, wird Volt vermutlich fraktionslos bleiben. Xie möchte mit seinem Engagement mehr Bürger zum Wählen bewegen, die Wahlbeteiligung lag 2014 bei 43 Prozent. "Wenn ein Chinese sich für Europa stark macht und deswegen mehr Leute zur Wahl gehen, habe ich gewonnen. Das reicht mir", sagt Xie. Die CSU hat derzeit fünf Sitze im Parlament, Xie steht auf Platz 25. Monika Hohlmeier, Tochter des von Xie bewunderten Franz-Josef Strauß, hat Listenplatz 4. "Ich würde Sie jederzeit gegen Monika Hohlmeier eintauschen", sagt Brünker zu Xie, bevor sich die beiden verabschieden.

Hintergrund: Volt - eine Partei und ihre Ziele

Volt ist eine pro-europäische Bürgerbewegung und paneuropäische Partei. Sie wurde 2017 gegründet. In Deutschland hat Volt derzeit rund 1000 Mitglieder. Als Partei in Deutschland zugelassen ist Volt seit 2018. Die Partei vertritt einen gesamteuropäischen Politikansatz bei Klimawandel, Migration, ökonomischer Ungleichheit, internationalen Konflikten, Terrorismus und dem Einfluss der technologischen Revolution auf den Arbeitsmarkt.

Forderungen:

Initiativrecht für das EU-Parlament

Europäische Armee

Föderales Euroa mit gemeinsamer europäischer Regierung

Steigende Ausgaben für berufliche Aus- und Weiterbildung

Einführung eines Mindeseinkommens

Reform des Dublin-Systems: Verteilungskonzept, das festlegen soll, wo sich Flüchtlinge in der EU niederlassen können

Wahlziel:

Bei der Europawahl will Volt mit mindestens 25 Abgeordneten aus mindestens sieben verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten ins EU-Parlament einziehen. Dies würde Volt ermöglichen, eine eigene Fraktion zu bilden.