"Es war ein feiger Angriff aus dem Nichts"
Autor: Stefan Fößel
Bamberg, Dienstag, 28. Mai 2019
Eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten wegen versuchten Totschlags fordert Oberstaatsanwalt Otto Heyder für den Haupttäter.
Vier Monate nach Prozesseröffnung steht das Landgericht Bamberg kurz vor einem Urteil im sogenannten Sandstraßen-Prozess. Dabei geht es um eine Auseinandersetzung in den Morgenstunden des 30. Juli 2017, in deren Folge Christian K. (Namen geändert) schwer verletzt wurde und sich wochenlang in Lebensgefahr befand. Mittlerweile ist die Beweisaufnahme abgeschlossen und Oberstaatsanwalt Otto Heyder hat in einem mehr als einstündigen Plädoyer eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten für Tom Z. gefordert, der K. in jener Nacht folgenschwer zu Fall gebracht hatte: "Z. hat K. aus vollem Lauf umgerannt, mit angezogenem Knie gegen den Oberkörper."
Der Geschädigte war zu diesem Zeitpunkt sehr betrunken und schlug ungebremst mit dem Kopf auf den Asphalt auf. Die Staatsanwaltschaft geht zudem weiter davon aus, dass Z. dem am Boden Liegenden noch einen Fußtritt verpasst hat. Das konnte aber von den Sachverständigen nicht bestätigt werden.
Heyder vertraut vor allem auf die Aussage des weiteren Angeklagten Andi H., der zehn Wochen in Untersuchungshaft gesessen hatte, weil er zunächst für den Haupttäter gehalten wurde.
Einige Fragen bleiben offen
Aber auch ohne den Tritt ("Darauf kommt es nicht mehr entscheidend an") geht Heyder von vorsätzlichem Totschlag aus: Schon das "Umtacklen" des Volltrunkenen, wie es Z. bezeichnet, sei lebensgefährlich gewesen. "Es war ein feiger Angriff aus dem Nichts auf einen offensichtlich stark Betrunkenen. Dass ein solcher Sturz Folgen haben kann, muss Z. bewusst gewesen sein." Der Geschädigte erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, lag wochenlang im Koma, musste schwere Operationen über sich ergehen lassen und bleibt auf Medikamente angewiesen. Die Familie mit zwei kleinen Kindern sei zeitweise aus den Fugen geraten, K.s ganzes Wesen habe sich verändert.
Ganz anders bewertet Heyder die Taten von Andi H. Der hatte zwar in jener Nacht gleich zweimal Schläge und auch Tritte gegen K.s Begleiter ausgeteilt, der danach auch zwei Wochen unter Schmerzen litt. Doch wurde ihm dann, auch aufgrund einer wohl falschen Zeugenaussage, die deutlich schwerere Tat zugeordnet, während Z. für lange Zeit auf freiem Fuß blieb. Zehn Wochen saß H. in Untersuchungshaft, bevor er seine Aussage änderte. Und auch ein Zeuge brachte plötzlich Z. als Haupttäter ins Spiel. Für H.s vorsätzliche Körperverletzung in zwei Fällen sind für Heyder insgesamt 90 Tagessätze zu je 20 Euro Geldstrafe angemessen. Angesichts der bereits verbüßten U-Haft können man es in diesem Fall aber bei einer Verwarnung mit Strafandrohung belassen.
Immer wieder wurden im Sandstraßen-Prozess die Ereignisse der ominösen Nacht beleuchtet - und doch bleiben bis zum Schluss einige Fragen offen. Warum hat der zuvor quasi Unbeteiligte Z. auf solche Weise K. angegriffen, der sich deutlich unauffälliger als sein Freund verhalten hatte?
Am Montag folgt das Urteil
Warum will keiner von den zahlreichen Zeugen etwas gesehen haben, obwohl die Gefängniskamera zeigt, dass einige ganz nah dran waren? Warum bleiben alle bei ihren Aussagen, obwohl selbst Z. einräumt, dass er K. aus vollem Lauf "umgetackled" habe? "Ich gehe davon aus, dass die Zeugen allesamt Z. aus falscher Solidarität helfen wollten", sagt Heyder. Gegen 15 Zeugen wurden Ermittlungen wegen des Verdachts der Falschaussage aufgenommen, zwei sind bereits rechtskräftig verurteilt. Für bundesweites Medienecho hatte die Verhaftung des aus Kiel angereisten Zeugen Robin F. gesorgt.