Es geht in Bamberg um viel mehr als nur Jobs
Autor: Christoph Hägele
Bamberg, Dienstag, 01. Oktober 2019
Bamberg könnte zum Labor für eine Zukunft werden, in der die Automobilwirtschaft als Wohlstandsmaschine ausfällt. Wie sich dieses Szenario verhindern lässt, diskutierte Bosch-Werksleiter Martin Schultz mit dem Grünen-Politiker Cem Özdemir.
Im Daimler-Museum, dieser in Stuttgart erbauten Kathedrale deutscher Ingenieurskunst, erwartet die Besucher am Eingang ein Pferd. Symbolisch steht es für ein Zitat, mit dem sich Kaiser Wilhelm II. Anfang des 20. Jahrhunderts vor der Geschichte blamierte: "Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung."
Warum Cem Özdemir, Schwabe, Grüner und Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, die Besucher im Bamberger Naturkundemuseum mit dieser Kuriosität konfrontierte, lag offen auf der Hand. Wer aus Bequemlichkeit oder mangelnder Vorstellungskraft zu lange am Status quo festhält und Zukunft nur als lineare Fortschreibung der Gegenwart denkt, droht vom Fortschritt unbarmherzig überrollt zu werden.
Klimaschutz kein Thema
Auf Einladung der Grünen-Bundestagsabgeordneten Lisa Badum diskutierte Özdemir am Montagabend mit Martin Schultz, dem kaufmännischen Werksleiter von Bosch in Bamberg, über die "Zukunft der Mobilität in der Region Bamberg".
Es wurde nicht ganz klar, ob Özdemir in Schultz einen Wiedergänger von Wilhelm II. zu erkennen glaubte. Klar dagegen wurde, dass der Grünen-Politiker das Festhalten an Verbrennungsmotoren für eine ebenso zukunftsvergessene Narretei hält wie Kaiser Wilhelms unerschrockenes Faible für Pferde. Von Autobauern und Zulieferern forderte Özdemir entschlossene Investitionen in die Elektromobilität. Bemerkenswert war die Konsequenz, mit der Özdemir klimaschutzpolitische Aspekte am Montag außen vor ließ und sich auf wettbewerbs- und standortpolitische Erwägungen konzentrierte.
Özdemirs Fokussierung trug den Bambergern Verhältnissen Rechnung. Geschätzte 20 000 Arbeitsplätze hängen in der Region direkt oder indirekt von der Automobilindustrie ab. Bamberg könnte zum Labor für eine Zukunft werden, in der die Automobilwirtschaft als große Wohlstandsmaschine ihren Dienst quittiert.
Mit der jüngst kommunizierten Schließung des Michelin-Werks in Hallstadt zeichnen sich erste Umrisse dieser Zukunft bereits am Horizont ab.