Ersterschließung in Bamberg: Wo die Anlieger verschont bleiben
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Mittwoch, 30. Januar 2019
Dass der Bau von Erschließungsanlagen versandete, kam in Bamberg nicht nur in der St.-Getreu-Straße vor. Doch nicht alle Anlieger müssen bluten. Warum ?
Am oberen Ende der St.-Getreu-Straße herrscht fast drei Wochen nach dem umstrittenen Ausbauentscheid die Ruhe nach dem Sturm. Die Anwohner sammeln ihre Argumente, um den Widerstand gegen das binnen weniger Wochen beschlossene Großprojekt zu bündeln.
Sie sind sicher: Das Straßenbauvorhaben, das 1,8 Millionen Euro auf die Schultern weniger Grundeigentümer verteilt, wird den Verkehr an der heimlichen Bergverbindung noch verstärken. Sie halten das Projekt für übereilt, überzogen und auch rechtlich für fragwürdig. "Wir sind immer noch fassungslos darüber, wie hier mit den eigenen Bürgern umgegangenen worden ist", sagt Bernhard Schmidt.
In Bamberg ein Einzelfall
Fälle, in denen Bürger von der vom bayerischen Landtag beschlossenen Verjährungsfrist der Ersterschließungsprojekte betroffen sind, gibt es in Bayern viele, zum Beispiel in Kaufbeuren, Memmingen oder in Landshut. Entsprechend umfangreich fiel in den vergangenen Tagen auch die Berichterstattung aus. Doch in Bamberg stehen die Anwohner der St.-Getreu-Straße mit ihren großen Grundstücken und den daraus resultierenden hohen Erschließungsbeiträgen mehr oder weniger allein da.
Dabei hat die Stadt einen ganzen Sack voller Erschließungsleichen im Keller. Genaugenommen gibt es acht weitere Verbindungen in Bamberg, die unter die gleiche Kategorie fallen wie die St.-Getreu-Straße. Auch bei ihnen geht die Bauverwaltung davon aus, dass die Erschließung 25 Jahre vor dem neu fest gesetzten Stichtag des 31. März 2021 begonnen, aber "aus wie immer gearteten Gründen" nicht abgeschlossen wurde.
Lange Recherchen
Einer im Gebrauch befindlichen Straße sieht man es nicht an, ob ein so genannter Fiktionsfall, also ein nicht abgeschlossener Ersterschließungsfall, vorliegt oder nicht, wie Baureferent Thomas Beese im Stadtrat formulierte. Es habe langer Recherchen in Erschließungsbeitragsakten, in Registraturen und Verträgen teils auch der früher selbstständigen Gemeinden Wildensorg, Bug und Gaustadt bedurft, um herauszufinden, welche Maßnahmen nach der Novellierung des 2016 neu gefassten Kommunalen Abgabengesetzes (KAG) noch mit den Bürgern abgerechnet werden können und welche nicht.
Das Ergebnis dieser akribischen Ermittlungsarbeit liegt der Stadt seit Frühling 2018 vor: Den Tatbestand an einer niemals vollendeten Erschließungsanlage zu wohnen, erfüllen nach den Erkenntnissen der Bauverwaltung unter anderen auch Anwohner der Moosstraße, der Wildensorger Hauptstraße, der Rothofleite und des Paradieswegs. Auch die Höhe der dort fälligen Ausbaukosten stehen seit bereits fest. In der Moosstraße zwischen Ausbauende und Armeestraße ist die Rede von knapp einer Million Euro. In der Wildensorger Hauptstraße würde die endgültige Erschließung bis zum 31. März 2021 insgesamt 1,6 Millionen Euro kosten.
Die Stadt unter Zeitdruck
Die Anwohner der genannten Straßen werden es nicht allzu sehr bedauern, dass die Zeit zu knapp war, um das Projekt vor dem Stichtag 2021 fertigzustellend und sie an den Kosten zu beteiligen. Denn die Fristsetzung durch den Gesetzgeber ist ein scharfes Datum. Sollte das Projekt von der Planung bis zur Bauausführung und der Versendung (!) der Beitragsrechnungen nicht rechtzeitig abgeschlossen sein, gelten die Erschließungsanlagen als verjährt. Die Stadt müsste dann auch den Betrag der Anlieger übernehmen.