Druckartikel: Erstaufnahmelager in Bamberg steht nichts mehr im Wege

Erstaufnahmelager in Bamberg steht nichts mehr im Wege


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Donnerstag, 30. Juli 2015

Der Stadtrat segnet die Pläne der Regierung ab: Bamberg bekommt 2016 ein Erstaufnahmelager für 600 Personen in der früheren US-Kaserne. Darüber hinaus sollen weitere Gebäude geprüft werden. Klar wurde in der Sitzung: Angesichts der dramatischen Entwicklung scheint auch eine Erweiterung der Erstaufnahme nicht ausgeschlossen.
Pro Wohnblock werden hier 150 Aslybewerber untergebracht: Häuser des früheren US-Flynn-Wohngebiets.  Foto: Ronald Rinklef


Es ist eine bestürzende Zahl, die Stefan Krug am Mittwoch in den Harmoniesälen nennt: 1400 Asylbewerber sind am 24. Juli in Bayern angekommen, an einem einzigen Tag, und damit mehr als je zuvor. "Ich neige nicht zur Dramatisierung, aber die Lage ist dramatisch", beschreibt Regierungsmitarbeiter Krug eine Situation, die sich von Monat zu Monat verschärft hat. Und er appelliert an die Stadträte: "Wir brauchen dringend Ihre Hilfe - und wir brauchen sie schnell."


Der Beginn einer Völkerwanderung?

Wenn stimmt, was Bambergs Kommunalpolitiker in der gleichen Sitzung sagen werden, dann stehen wir am "Beginn einer Völkerwanderung". Sie verändert Bamberg schon jetzt. Abzulesen ist das an der Vielzahl von Flüchtlingswohnungen in vielen Teilen der Stadt. Sie wurden angemietet, gekauft und hergerichtet, um zur Zeit 580 Asylbewerbern ein Dach über den Kopf zu geben.

2016 wird in Bamberg ein neues Kapitel Flüchtlingsgeschichte aufgeschlagen. Dann wird eine so genannte Erstaufnahmeeinrichtung in Betrieb gehen, die für den massenhaften Zustrom von Hilfe suchenden Menschen die Verteilerfunktion in Oberfranken übernimmt. Hier werden die Asylsuchenden bürokratisch erfasst und medizinisch betreut. Die Fluktuation der mit Bussen anreisenden Menschen wird enorm sein, denn die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt nur 14 Tage. Ein Sicherheitsdienst ist rund um die Uhr im Einsatz, Betreuer und Hausverwalter kümmern sich um die Ankömmlinge. Sogar von einer Zweigstelle des Bundesamts für Migration war am Mittwoch die Rede.

Dreifache Überbelegung in Zirndorf

Ausgeschlossen ist auch eine Erweiterung der Einrichtung nicht, wie die Entwicklung in den vergangenen Wochen und etwa der Blick nach Zirndorf zeigt. Dort drängen sich in den für 500 Menschen gebauten Erstaufnahme-Unterkünften mittlerweile 1600 Menschen. Sozialreferent Ralf Haupt sagt: "Sollte der Zustrom in dem dramatischen Ausmaß weiter anhalten, müssen wir mehr Kapazitäten schaffen."

Die Bereitschaft im Stadtrat, den Hilferuf aus Bayreuth mit einem uneingeschränkten Ja zu beantworten, war dessen ungeachtet hoch. Einstimmig erklärten die Stadträte ihre Zustimmung zur Erstaufnahme an der Pödeldorfer Straße - ebenso wie zum damit verbundenen Verfahren. Es bedeutet, dass die Stadt Bamberg aktuell keine zusätzlichen Flüchtlinge aus dem Notfallplan mehr aufnehmen muss. Weiterhin werden die Zuweisungen von zehn Menschen pro Woche 60 Wochen lang ausgesetzt, sobald das Lager in Betrieb geht.Bamberg soll nicht überfordert werden.

Schon heute herrscht hier akuter Mangel. Weil in der vergangenen Woche 50 Flüchtlinge in Bamberg ankamen, haben sich die freien Wohn-Kapazitäten im Zugriff der Stadt rasch verringert. Bleibt es beim derzeitigen Zuzug, sind Mitte Oktober alle Wohnungen voll.


Müller: Es darf keine Anschläge in Bamberg geben

Was sagen die Stadträte zu diesen Problemen? Helmut Müller (CSU) spricht von "humanitären Verpflichtungen", weist aber auch auf die gemischten Reaktionen in der Bevölkerung hin. "Wir müssen alles tun, dass die positive Stimmung nicht kippt", sagt er mit Blick auf die Asylbewerber aus den sicheren Balkanstaaten. Sein Appell  "Es darf in Bamberg keine Anschläge geben." Auch Klaus Stieringer (SPD) lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass die SPD hinter einer Erstaufnahmeeinrichtung mit maximal 600 Plätzen steht. Zwar gebe es Stimmen aus der Bevölkerung, die Asylbewerber doch besser in den Häusern in der zweiten Reihe unterzubringen, doch teile die SPD dies ausdrücklich nicht: "Die Flüchtlinge bedürfen unseres Schutzes, aber nicht der weiteren Isolation", sagt Stieringer - und stellt für die SPD einen Antrag: Der von der Bürgerinitiative "Armygelände in Bürgerhände" vorgeschlagene Alternativstandort am Eichenweg soll geprüft werden.

GAL: Für Bevölkerung öffnen

Einen Schritt weiter gehen die Bamberger Grünen. Ursula Sowa sieht sich bestätigt, dass die Mehrheit im Stadtrat nun die Konversionsfläche für Flüchtlingsunterkünfte "entdeckt" - vor einem Jahr hatte diese Forderung noch herbe Kritik ausgelöst. Auch Sowa hält die vier Häuser an der Pödeldorfer Straße für geeignet, bittet die Stadtverwaltung allerdings, dafür zu sorgen, dass möglichst zeitgleich auch für die Bevölkerung erste Häuser freigemacht werden. "Dies würde viel politischen Druck wegnehmen."
Kein Blatt nimmt Dieter Weinsheimer (FW) vor den Mund. Er sieht Ängste bei Bürgern, dass die Flynn-Siedlung mit einer Erstaufnahmeeinrichtung "nur noch geringe Überlebenschancen" habe. "Die vorgeschlagenen Alternativen haben ihre Vorzüge und müssen überprüft werden", fordert er.

OB Andreas Starke (SPD) gelingt es, eine drohende Kampfabstimmung zu vermeiden. Er formuliert einen Kompromiss, der eine einstimmige Mehrheit findet. Die Erstaufnahmeeinrichtung an der Pödeldorfer Straße ist damit abgesegnet. Gleichzeitig soll geprüft werden, ob drei vor allem von Heinrich Schwimmbeck (Bali) hartnäckig unterstützten Alternativen für die Flüchtlinge geeignet sind: die Häuser am Eichenweg, die Mannschaftsgebäude in der östlichen Zollnerstraße und die sogenannten US-Boardinghäuser.