Erdhaufen gegen Raser: Der Berg spaltet Würgau
Autor: Sebastian Martin
Würgau, Donnerstag, 12. November 2015
Am Würgauer Berg versuchen Behörden alles Mögliche, um die Motorrad-Strecke zu entschärfen. Sie basteln an Lösungen, schütten Erdhaufen auf, schaffen Provisorien. Die unmittelbaren Anwohner begrüßen das, doch gibt es auch Kritik.
Die Motorradsaison ist beendet, aber Ruhe gibt es trotzdem nicht: Der Würgauer Berg bleibt heiß diskutiert. Die beliebte Strecke bewegt die Gemüter schon seit Jahren. Schuld sind Motorrad-Raser, die Lärm und Gefahr erzeugen.
Zunächst wurde die Geschwindigkeit auf Tempo 50 im Bereich der "Applaus-Kurve" verringert - die Polizei überwacht regelmäßig den Verkehr. Das allein hat bisher aber nur wenig genutzt, sodass die Scheßlitzer Stadtverwaltung zu unschöneren Maßnahmen gegriffen hat: Inzwischen liegen Erdhaufen an den Flurwegen, die den Berg für die Motorradfahrer unattraktiver machen sollen.
Ob das dauerhaft funktioniert, kann man derzeit noch nicht sagen, meint Bürgermeister Roland Kauper (CSU). Die Unfallzahlen seien zurückgegangen, auch wenn die Polizeistatistik wieder einen tödlichen Unfall am Berg verzeichnet.
Wo können Würgauer wenden?
"Schön ist es nicht", weiß selbst Kauper. Die Erdhaufen sind mit Unkraut zugewuchert. Einigen Würgauern geht das gegen den Strich. "Was soll ich denn auf meine Prospekte schreiben?", fragt Renate Tropcic, Wirtin des Schweizer Hofs in der Ortsmitte. Viele ihrer Übernachtungsgäste sind Motorradfahrer. "Die meisten sind sehr nett und vernünftig." Und für viele sei Würgau seit Jahrzehnten Ausflugsziel. "Jetzt machen sie solche Erdhaufen - das ist keine Reklame für den Ort", sagt die Wirtin und schüttelt den Kopf. In ihrem Wirtshaus wird rege diskutiert. Eine Frage, die aufkommt: Wo wende ich in Würgau? Die Maschinenhalle liegt am Fuß des Würgauer Bergs, dort ist inzwischen die Straße mit Warnbaken zugestellt, damit die Biker, die den Berg hoch und runter rasen, nicht mehr wenden können.
Es ist ein weiteres Provisorium, das für Gesprächsstoff sorgt. Größere Fahrzeuge hätten dadurch Probleme: Was passiert im Winter beim Schneeräumen? Reißt der Räumdienst die kleine markierte Insel einfach mit? Einer am Tisch meint, "das Problem ist weiter in den Ort verlagert worden". Seinen Sohn will er erstmal nicht mehr allein über die Straße gehen lassen. Die Motorrad-Raser düsen nun seiner Beobachtung nach durch den Ort.
Attraktiv finden die Kritiker die Lösungen nicht: "Wir wollen kein Kaff werden, durch das keiner mehr durchkommt", sagt Timo Walter. Der 29-Jährige berichtet von Problemen: Er muss mit dem Traktor in einen der Flurwege am Würgauer Berg abbiegen. Das sei schwierig geworden, seitdem die Erdhaufen dort liegen. "Wir haben das doch alles besprochen und überprüft", entgegnet der Bürgermeister. Die Zufahrt mit Traktoren in die Flur- und Waldwege sei ohne Weiteres möglich.
"Applaus"-Kurve bepflanzt
Doch die Erdhaufen sind nicht alles. Inzwischen hat das Staatliche Bauamt die ersten Büsche als Sichtschutz in der "Applaus"-Kurve pflanzen lassen. Der Name sei dort Programm, Schaulustige stünden im Kurvenbereich und filmten die Raser, sagt Kauper, der immer wieder in der Diskussion betont, nichts gegen die vernünftigen Motorradfahrer zu haben. Applaus löst das dennoch bei den Kritikern nicht aus, sie fürchten, dass durch eine Bepflanzung die Sicherheit im Straßenverkehr leidet. Man sehe nicht mehr in die scharfe Kurve ein, meint Timo Walter.
Über 1300 Motorradfahrer am Tag
Bürgermeister Kauper sieht hingegen kein Problem: Überholen sei ohnehin nicht erlaubt. Es gehe vielmehr darum, den Lärm wegzubekommen, den die Raser erzeugten - an einem Sonntag im September habe man von über 2500 Fahrzeugen gut 1300 Biker gezählt: "Wenn die rauf und runter rasen, ist das nicht mehr tragbar." Die Anwohner sind schwer vom Lärm geplagt und fordern schon lange eine Lösung. Das Maßnahmenpaket greift aus Sicht von Hauptkommissar Peter Krauß von der Polizei Bamberg-Land. "Allein die Zahlen geben uns recht", bilanziert er. Es seien am Berg noch nie so wenig Unfälle wie 2015 passiert. Allerdings müsse man differenzieren: Zum einen liege dies sicherlich an den getroffenen Maßnahmen, zum anderen auch an der Abschreckung, die vom tödlichen Unfall eines Motorradfahrers im Mai ausging.
Ob diese Erfolge langfristig bleiben? "Optimal wäre eine Rundum-Überwachung", sagt Krauß. Doch das ist rechtlich nicht möglich. "Eine bauliche Veränderung ist die einzige Möglichkeit für eine Beruhigung", glaubt deshalb Bürgermeister Kauper.
Wie die aussehen könnte, lässt er offen. Ende November soll es erneut eine Besprechung aller Behörden geben. Die Diskussion um einen sicheren Berg in Würgau geht weiter.