Druckartikel: Endlich wieder richtig schlafen

Endlich wieder richtig schlafen


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Bamberg, Mittwoch, 12. August 2020

Im Schlaflabor des Bamberger Klinikums am Bruderwald gehen Ärzte chronischen Schlafstörungen auf den Grund. Und das ist keine "Wellness-Geschichte".
Chefarzt Dr. Rumo David Leistner und MTA Astrid Gunzenheimer werten die in der Nacht erhobenen Daten eines Patienten aus: "Atemaussetzer bis zu 146 Sekunden!"  Foto: Marion Krüger-Hundrup


Schlaftabletten kamen für Helmut P. überhaupt nicht infrage. Obwohl der inzwischen pensionierte Lehrer morgens wie gerädert aufstand, nachdem er in der Nacht ein paar Mal aufgewacht war. Ein lebensbedrohlicher Herzinfarkt rüttelte den nunmehr 69-Jährigen auf, er sprach über seine Schlafstörungen mit dem behandelnden Kardiologen. Und dieser empfahl im dringend, der Ursache in einem Schlaflabor auf den Grund zu gehen.

Helmut P. nahm den Rat an, auch wenn Risikofaktoren wie Übergewicht, Bewegungsmangel, Bluthochdruck, Schilddrüsenunterfunktion auf ihn nicht zutrafen. "Ich wollte wissen, ob es Atemaussetzer sind", begründet der schlanke, sportliche Mann den Schritt ins Schlaflabor für drei Nächte. Und tatsächlich zeigte die Auswertung: "Ich hatte zig Aussetzer pro Nacht!" Hervorgerufen durch eine "anatomisch bedingte Schwächung des Schließ- und Öffnungsmuskels im Rachen", berichtet Helmut P. Die Diagnose lautete: obstruktive Schlafapnoe, frei übersetzt "Atemstillstand im Schlaf".

Dr. med. Rumo David Leistner, als Chefarzt der Medizinischen Klinik IV (Lungen- und Thoraxzentrum, Schlafmedizin) im Klinikum am Bruderwald auch für das vielfach zertifizierte Schlaflabor mit sieben Betten verantwortlich, sagt klar: "Das Schlaflabor ist keine Wellness-Geschichte, sondern medizinisch etabliert." Es sei unbestreitbar, dass das Schlafapnoesyndrom eine ernste Erkrankung darstelle, erklärt der Internist, Lungenfacharzt und ausgewiesene Schlafmediziner. Schlafapnoe sei keine Modekrankheit: "Durch große Tagesmüdigkeit mit Einschlafneigung besteht eine beträchtliche Unfallgefährdung", nennt Leistner etwa Berufskraftfahrer als eine Personengruppe, die sich über die Ursachen von Schlafproblemen zwingend informieren sollten. Doch neben den quälenden Beschwerden seien es generell vor allem Erkrankungen im Herz-Kreislauf-System durch den nächtlichen Sauerstoffmangel, die den Patienten als Folge der Schlafapnoe gefährden, so der Chefarzt.

Bewährtes Stufenkonzept

Leistner schildert ein seit Jahren bewährtes Stufenkonzept für die richtige Diagnose: Als erste Stufe dient die Erhebung der Krankengeschichte und der Beschwerden durch den Hausarzt. Dieser klärt das weitere Vorgehen mit einem Facharzt - zum Beispiel HNO-Arzt, Lungenspezialist, Neurologe, Psychiater -, die ambulant ein Screening vornehmen. Psychiater, weil Schlafstörungen auch psychische Gründe haben können. Mit diesem Screeningbefund kommt der Patient zur Differenzialdiagnose und Behandlung ins Schlaflabor: "Hier wird er zur endgültigen Bestätigung der Diagnose polysomnographisch untersucht", erklärt Chefarzt Leistner.

Das bedeutet, dass der Patient und seine Körperfunktionen im nächtlichen Schlaf von Fachpersonal lückenlos persönlich und an Monitoren überwacht wird. Dazu ist es unabdingbar, zahlreiche Sensoren und Elektroden an der Körperoberfläche des Patienten zu befestigen. In der Polysomnographie werden zunächst die Schlafstadien und die Schlafqualität aufgezeichnet und analysiert. Zum umfassenden Untersuchungsprogramm gehören auch die Bewertungen von nächtlichem EKG, EEG und Puls.

Liege eine behandlungsbedürftige Schlafstörung vor, so könne in der zweiten Nacht schon die Wirkung einer möglicherweise eingeleiteten Therapie unmittelbar überprüft werden, so Leistner. Das gelte gerade für die Schlafapnoe, bei der die "CPAP-Therapie" die wirksamste Behandlungsmethode sei: eine nächtliche Überdruckbeatmung mit Hilfe einer Nasenmaske. In leichteren Fällen könne eine Unterkiefervorverlagernde Schiene Abhilfe schaffen, die allerdings von einem Kieferorthopäden erst hergestellt werden müsse. Alle Maßnahmen sollen dazu beitragen, "wieder Lebensfreude zu gewinnen und sich deutlich frischer zu fühlen", betont Leistner, nennt aber auch weitere Notwendigkeiten wie Gewichtsabnahme, Bewegung, Änderung des Essverhaltens, Reduzierung des Alkoholkonsums als therapeutischen Ansatz zur Behebung von chronischen Schlafstörungen.

Fortschritt mit Nasenmaske

Seit einem halben Jahr nutzt nun Helmut P. diese Nasenmaske - mit Erfolg: "Ich habe nur noch relativ wenig Atemaussetzer", freut er sich nach der Auswertung des im Beatmungsgerät integrierten Chips, die der Facharzt vorgenommen hat. Helmut P. räumt ein, dass er sich an diese Maske erst gewöhnen und "es persönlich akzeptieren musste, dass ich damit schlafe". Er hoffe, dass durch diese CPAP-Therapie der Schließ- und Öffnungsmuskel im Rachen trainiert werde, und er eines Tages ohne Nasenmaske auskomme. Zumal er "Bauchschläfer" sei und sich noch nicht eine Seitenlage angewöhnt habe, lacht Helmut P., dennoch froh über zurückgewonnene Lebensqualität durch erholsameren Schlaf.

Das Schlaflabor im Bamberger Klinikum ist nach den Worten von Chefarzt Rumo David Leistner das größte in Oberfranken und arbeitet als Besonderheit interdisziplinär mit den verschiedenen Fachrichtungen im Haus zusammen. Durch die coronabedingte Schließung des Labors bis vor kurzem gebe es momentan eine Warteliste von Patienten bis Oktober: "Die normale Wartezeit beträgt etwa zwei bis vier Wochen", ermutigt der Schlafmediziner zum Aufsuchen dieser segensreichen Einrichtung.

Zehn Tipps für den erholsamen und gesunden Schlaf

Göran Hajak ist Professor für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Bamberg. Dort beschäftigt er sich unter anderem auch mit dem guten Schlaf. Wie richte ich mir mein Schlafzimmer für den erholsamen Schlaf ein?

Es sollte in einem Schlafzimmer verhältnismäßig kühl sein. Mit noch mehr Nachdruck gilt dies bei den derzeit herrschenden hochsommerlichen Temperaturen. Es sollte im Schlafzimmer nicht wärmer als 21 Grad sein. Dazu sollte es gut durchlüftet und vor allem dunkel sein. Helligkeit ist ein sehr großes Hindernis für einen erholsamen Schlaf.

Lampen sollten im Schlafzimmer, wenn überhaupt, nur bodennah angeschaltet sein. Zudem sollten die Lampen ausschließlich im rot-orangefarbenen Spektrum leuchten. Weiße und blaue Lichtquellen machen hingegen eher wach. Auch wer nachts, beispielsweise auf dem Weg zum WC, eine große Lichtquelle anschaltet, kann sich damit um einen erholsamen Schlaf bringen. Denn grelles Licht signalisiert dem Körper, es sei Tag.

Sollten im Schlafzimmer Elektrogeräte stehen?

Nein. Ein Schlafzimmer sollte idealerweise ein Schlafzimmer und nur ein Schlafzimmer sein. Es sollte kein Fernsehzimmer und auch kein Arbeitszimmer sein. Dieser Anblick würde den Versuch behindern, den Alltag hinter sich zu lassen und sich dem Schlaf zuzuwenden.

Man sollte das Schlafzimmer mit dem Schlafen verbinden, mit nichts anderem. Wer lange wach liegt, sollte deshalb das Schlafzimmer verlassen und dorthin erst wieder mit dem Gefühl zurückkehren, jetzt einschlafen zu können.

Wie lange sollte das Einschlafen dauern?

Der Prozess des Einschlafens dauert in der Regel zwischen 15 und 20 Minuten. Wer länger zum Einschlafen benötigt, sollte sich darüber jedoch weder wundern noch ärgern. In dem Moment, in dem man negative Emotionen mit dem Einschlafen verbindet, wird das Einschlafen nur noch weiter gestört. Das Einschlafen lässt sich nicht erzwingen.

Der Einschlafvorgang sollte aus diesem Grund mit allem verbunden sein, was schön und entspannend ist. Das kann eine leise Musik sein, oder auch schöne Gedanken; z.B. Erinnerungen an schöne Erlebnisse und Orte. Der Einschlafvorgang ist keine Zeit, in der man über berufliche und andere schwierige Themen grübeln sollte.

Stören Cola und Kaffee den Schlaf?

Genussmittel können grundsätzlich einen positiven Einfluss auf den Schlaf haben. Denn sie versetzen Menschen in eine angenehme Stimmung. Allerdings stimuliert der Genuss koffeinhaltiger Getränke etwa neun von zehn Menschen. Koffein erhöht das Anspannungs- und Erregungsniveau des Gehirnes. Für einen guten Schläfer spielen diese Überlegungen aber nur eine untergeordnete Rolle. Er kann abends beim Italiener problemlos noch einen Espresso trinken. Bei schlechten Schläfern kann schon die Cola um vier Uhr nachmittags zu viel sein. Schlechte Schläfer sollten stattdessen lieber zu schlaffördernden Tees greifen.

Wie steht es mit Alkohol?

In kleinen Dosen kann Alkohol schlaffördernd wirken. Eine erhöhte Dosis verschlechtert das Durchschlafen aber massiv.

Bereits zwei am Abend getrunkene Gläser Wein oder Bier lassen einen vielleicht besser einschlafen - aber eben nicht durchschlafen. Stattdessen wacht man auf, hat Durst und ist unruhig. Menschen, die ohnehin nicht gut schlafen können, sollten deshalb zum Einschlafen keinen Alkohol zu sich nehmen.

Wann sollte die letzte Mahlzeit vor dem Einschlafen eingenommen werden?

Das ist individuell unterschiedlich. Grundsätzlich ist ein fettes Essen am Abend nicht ideal. Auf der anderen Seite essen viele Berufstätige erst am Abend warm. Es ist dann ratsam, am Abend eher etwas Leichtes und gut Bekömmliches zu essen.

Stören sportliche Aktivitäten das Einschlafen?

Sport am Abend ist definitiv schlafstörend. Ich rede hier von Sport in der Zeit nach 18 Uhr. Das liegt daran, dass Sport die Temperatur im Körper erhöht. Die innere Uhr des Menschen wird durch einen temperaturempfindlichen Teil des Gehirns gesteuert. Für empfindliche Schläfer kann zu später Sport deshalb zum Problem werden.

Was ist mit dem Schlaf unterm Tag?

Ein wenig Schlaf am Tag beeinflusst den Schlaf am Abend keineswegs negativ. Das zeigen uns aktuelle Studien. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aber, dass die Schlafdauer 20 Minuten nicht übersteigt. Man kann sich mit einem kurzen Schlaf am Mittag sehr gut erholen. In diesem Fall weicht auch kein Schlafdruck für die Nacht. Was dagegen passiert bei einem längeren Schlaf am Nachmittag? Man fällt dann in einen ganz normalen Nachtschlaf, der seinerseits den gewohnten Biorhythmus stört. Bereits nach einer Stunde Schlaf am Mittag fällt man in einen Tiefschlaf - mit der Folge, anschließend nicht mehr richtig wach zu werden und abends schlechter einschlafen zu können. Wie wichtig sind regelmäßige Schlafzeiten?

Das ist altersabhängig. Junge Menschen sind in der Regel sehr flexibel, wann sie einschlafen und aufwachen können.

Mit höherem Alter wird das schwieriger. Für Ältere und Menschen mit einem eher schlechten Schlaf sind regelmäßige Einschlafzeiten deshalb ratsam.

Wie viele Stunden sollte man schlafen?

Wie es dem eigenen Bedürfnis entspricht. Ein gesunder und erholsamer Schlaf definiert sich dadurch, wie frisch man sich am Tag fühlt. Allerdings ist es vollkommen normal, wenn man unmittelbar nach dem Aufstehen Anlaufschwierigkeiten hat. Die wenigsten von uns stehen morgens singend unter der Dusche. Wer am Tag immer wieder Müdigkeitseinbrüche hat und viel Kaffee trinken muss, hat zu wenig geschlafen. Der durchschnittliche Deutsche schläft knapp unter sieben Stunden am Tag. Das ist in der Tat weniger als noch vor ein paar Jahren. Ich interpretiere diesen Rückgang als Indiz für ein Schlafdefizit, das viele Menschen aufbauen.

Das Gespräch führte Christoph Hägele