Emotionsreiches Wiedersehen
Autor: Andrea Spörlein
Hirschaid, Dienstag, 23. Oktober 2018
Der Holocaust-Überlebende Julius Bernet stattet seiner früheren Heimatgemeinde Hirschaid einen erlebnisreichen Besuch ab.
2005 besuchte Julius Bernet das letzte Mal seine Heimatgemeinde Hirschaid. Aus einer jüdischen Familie von Hopfen und Malzhändlern stammend, hatten er und seine Familie den Holocaust überlebt - in Südafrika. Im Rahmen einer Europareise wollte Bernet nun auch seiner zweiten Frau Linda die Stätten seiner Kindheit zeigen und Freunde wie Rudolf Panzer und Klara Wagner, die fast gleichaltrigen ehemaligen Nachbarn, noch einmal wiedersehen. Beide waren selbstverständlich beim kleinen Empfang mit dabei, den Hirschaids Bürgermeister Klaus Homann (CSU) für die Gäste aus den USA gab.
Das Haus der jüdischen Familie Bernet steht noch immer in der heutigen Rathausstraße. Sein Vater Heinrich und sein Großvater hatten das Anwesen um 1900 gekauft. Dort betrieb die Familie einen florierenden Hopfen- und Malzhandel und belieferte auch die damals noch zahlreichen Hirschaider Brauereien. 1936 wurden den Juden in Deutschland im Zusammenhang mit dem Reichsbürgergesetz die Gemeinderechte entzogen. Daraufhin emigrierte Heinrich Bernet nach Südafrika. 1937, nachdem das Haus verkauft werden konnte, folgten ihm seine Frau Alma mit Julius und seiner Schwester Elfriede. Nach Schule und Studium arbeitete Julius als Ingenieur im heutigen Zimbabwe und zog 1982 mit seiner Familie in die USA.
Reger Briefkontakt
Der Kontakt nach Hirschaid kam durch die Nachforschungen von Rudolf Panzer zustande, der im Rahmen seiner Forschungen zur Geschichte der jüdischen Familien aus Hirschaid, auf die Familie Bernet aufmerksam wurde. Dadurch entstand ein reger Briefkontakt und 2005 hatte man sich zuletzt in Hirschaid gesehen.
Julius Bernet, heute fast 90 Jahre alt, bei offensichtlich bester Gesundheit und sehr interessiert am politischen Tagesgeschehen, betreibt mit seinen Söhnen und Enkelsöhnen eine Import-Export-Firma in Los Angeles. Er geht noch jeden Tag ins Büro und spricht nahezu perfekt Deutsch. In seiner Familie wurde stets Wert darauf gelegt, die deutschen Wurzeln nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Klara Wagner, die bereits ihren 90. Geburtstag gefeiert hat, konnte beim gemeinsamen Mittagessen noch einiges aus ihrer frühen Jugendzeit in enger Nachbarschaft mit der Familie Bernet erzählen. Damals standen in allen Häusern die Türen offen und der betende Vater von Julius Bernet ist ihr bis heute im Gedächtnis geblieben. Beim Durchblättern der Hirschaider Chronik ist beiden so manche Geschichte aus ihrer Jugendzeit wieder eingefallen. Klara Wagner betonte immer wieder, wie dankbar und glücklich sie sei, dass sie dieses Zusammentreffen noch erleben durfte.
Elternhaus und Synagoge
Im Anschluss daran folgte ein kleiner Rundgang durch Hirschaid. Vom Elternhaus in der Rathausstraße ging es vorbei an der alten Schule zum Synagogenplatz. Sichtlich ergriffen stand Julius Bernet am Denkmal für die ermordeten Hirschaider Juden an der Stelle der ehemaligen Hirschaider Synagoge und gedachte der Frauen, Männer und Kinder, die das Dritte Reich nicht überlebt hatten. Er ließ sich auch über die Pläne der Marktgemeinde informieren, wie es mit der Sanierung der ehemaligen jüdischen Schule weitergehen soll.
Beim Abschied drückte Julius Bernet noch einmal Rudolf Panzer und Klara Wagner ganz herzlich. Die will ihm am 3. Januar besondere Grüße über den großen Teich schicken. An diesem Tag möchte Julius Bernet zusammen mit seiner Familie seinen 90. Geburtstag feiern. Wer weiß, vielleicht finden bis dahin die von Klara Wagner versprochenen selbst gestrickten Strümpfe auch ihren Weg von Hirschaid nach Los Angeles.