Ausloten und absprechen
Auch in Burgwindheim gäbe es immobilien- und flächentechnisch Möglichkeiten, so Thaler. Hier müsse aber erst noch einiges ausgelotet und im Marktgemeinderat abgesprochen werden.
Freilich ist Thaler wie Schneider klar, dass Großeinkäufe heute nicht mehr im Dorfladen erledigt werden. Was diesen viel Kapital nehme. Die Menschen arbeiten meist auswärts und versorgen sich auf dem Heimweg in den Einkaufsmärkten. Die liegen im Falle der Burgwindheimer meist in Burgebrach. Ebracher wiederum kaufen aber auch im nahen, unterfränkischen Gerolzhofen, so Schneider.
Neben stationären Geschäften, so sind sich die beiden Bürgermeister einig, wären auch analog zur Metzgerwaren-Versorgung mobile Einrichtungen denkbar. "Mit dem Metzgerwagen, der an zwei Tagen die Woche kommt, fahren wir gut", meint Thaler.
In die Zukunft gerichtet, haben die Marktgemeindechefs auch von Modellprojekten der Post in Nordrhein-Westfalen gehört: Dort stellt die Post in speziell ausgestatteten Fahrzeugen neben Paketen auch tags zuvor aufgegebene Lebensmittelbestellungen zu. Thaler weiß von Gemeindebürgern, die sich schon jetzt mit Lebensmitteln beliefern lassen. Schneider steuert eine Erfahrung der Vorweihnachtszeit bei: Auf der Suche nach einem Motorradkalender habe er für seinen Enkel "analog nichts herbekommen". Digital sei er fündig und bereits einen Tag später beliefert worden.
Sollte eine mobile oder Postliefer-Lösung näher diskutiert werden, so ist Thaler eine Versorgung mit regionalen Produkten und auch kurzen Wegen wichtig. Derzeit sei man jedoch noch ganz am Anfang der Überlegungen. Er stehe mit den unterschiedlichsten Firmen in Kontakt und erörtere verschiedenen Varianten.
Wie beurteilen die Bürger in den beiden Gemeinden die aktuelle Nahversorgungssituation? "Das ist doch jetzt scheiße!" Die Burgwindheimerin Rosa Fichtner spricht Klartext. "Für alte Leute, die alleine leben und kein Auto haben", schiebt sie erklärend nach. Bislang konnte die 87-Jährige mit ihrem Rollator zum Laden fahren und mitnehmen, was in den Korb des Gefährtes passt. Mehrmals die Woche, so es Wetterlage und Gesundheitszustand zulassen, besucht sie das Geschäft. Und wenn es schließt? Wird sie noch mehr vom Wohlwollen anderer abhängig sein, die sie bitten muss, ihr etwas mitzubringen, oder mit ihr zu einem Markt zu fahren. Für den Burgwindheimer Hartwich Zech (75) wiederum steht zu fürchten, dass er künftig wohl auf seine frischen Brezen, Salzstangen, Brötchen und Gebäck verzichten muss. Nahezu täglich ist er bis jetzt zum Lebensmittelladen im Ortskern gelaufen und hat dort im Schnitt fünf bis zehn Euro gelassen. Auch er wird fortan mehr auf Hilfe angewiesen sein, um an Lebensmittel und frische Sachen zu gelangen.
Alfred Dressel hat zwar Auto und Führerschein. Der Burgwindheimer wäre aber froh, wenn der Lebensmittelladen von Elisabeth Hetzel weitermachen würde. "Wir kaufen hier jeden Tag ein bisschen was." Er kritisiert diejenigen, die nur in den örtlichen Laden gehen, wenn sie beim Einkaufen auswärts was vergessen hatten.
Auswärts einkaufen, das müssen die Nichten nun öfter für ihre Ebracher Tante Hedwig Meier. Die war, solange es hier den Einkaufsmarkt gab, immer selbst zu Gange. Jetzt, so erklärt die 97-Jährige, nehme sie bei den Bäckern mit, "was es so gibt". Gibt es außer Brot und Gebäck nichts, dann habe sie eben nichts. Bis auf den Dosenvorrat, den sie sich zugelegt hat. Jetzt komme zudem noch die schlechte Zeit mit Schnee und Eis, so dass sie öfter daheim bleiben muss.
"Das Dorf ist leer", findet Rudi Weininger (78), nachdem der Ebracher Laden zugemacht hat. "Man trifft kaum noch jemanden", ergänzt Gattin Karin (72). Und man bekomme nur ein äußerst geringes Angebot an Grundnahrungsmitteln.
"Waschmittel kriegt man hier gar nicht mehr". Ein Glück, dass das Ehepaar übers Auto noch mobil ist. So versorgt man sich in Gerolzhofen, oder auch in Burgebrach. Oder in Mönchherrnsdorf und staunt, was dieser kleine Ort noch alles zu bieten hat: Metzger, Bäcker und diesem angegliedert ein kleiner Lebensmittelmarkt mit Cafe. Nur an einem habe Ebrach derzeit keinen Mangel: Bäckerware. Kein Wunder, bei drei Bäckereien. Noch eins: Bei der Post sieht's im Westen auch nicht gut aus: Ebrach und Burgwindheim haben auch keine Postfilialen mehr.
KOMMENTAR:
Wir könnten es noch richten
Schöne neue digitale Welt. Der alte, analoge Mensch kommt damit nur schwer zurecht. Die Unterhaltung im Dorfladen hat ungleich mehr kommunikative und soziale Qualität, als die anonyme Order via PC oder Smartphone. Während der Einzelhandel den Erlebniseinkauf wiederbelebt, stirbt dessen Urform mit jedem Tante-Emma-Laden. Dort ist der Einkauf ein wirkliches Erlebnis, heute leider schon ein bisschen mit Museumscharakter und Nostalgie-Faktor. Die Digitalisierung schreitet voran, aber die Einsamen und die Analogen bleiben auf der Datenstrecke.
Zusammen mit der Dorfwirtschaft bildet der Dorfladen einen wichtigen Treffpunkt. Der Gang zum Laden motiviert gerade oft Ältere, das Haus zu verlassen. Ein Dorfladen leistet vieles über die bloße Versorgung hinaus. Das würde eigentlich eine Subventionierung rechtfertigen. Wenn wir ehrlich sind, so müssen wir eingestehen, dass gerade unser Schnäppchenjagd- und Komfort-Kaufverhalten zum Sterben der Dorfläden beiträgt wie die überflüssigen Autofahrten zum Klimawandel. Wenn unsere neue Welt noch schön im Sinn von lebens- und liebenswert bleiben soll, dann sollten wir auch was in Sachen Dorfläden unternehmen. "Wir" schließt die Politik und entsprechende Weichenstellungen mit ein.