Eine Zeitreise durch Bambergs Geschichte, Gegenwart und Zukunft
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Sonntag, 21. Juli 2013
"Was werden künftige Generationen von uns wissen?" Eine Frage, die sich Gerhard Schlötzer und Gabriele Wiesemann während ihrer Arbeit am Projekt "Zeitschichten" stellten. Bamberg in der Zukunft und ebenso der Vergangenheit ist ihr Thema.
Sie beschreiben die Gegenwart, um Bambergern der Zukunft das frühe 21. Jahrhundert nahezubringen. Während sie Zeitgenossen Spuren der Vergangenheit zeigen, die zwischen Sehenswürdigkeiten wie dem Dom, dem Alten Rathaus oder der Altenburg leicht untergehen. Mal ist es ein Wegekreuz, dem Gerhard Schlötzer und Gabriele Wiesemann Geschichten entlocken, dann wieder ein altes Pflaster, über das Autos holpern und Passanten stolpern. An Stallungen, die einst zur Ulanenkaserne gehörten, erinnert ein Sandsteinsockel. Andere Relikte schlagen andere Kapitel auf: Relikte, zu denen auch Verkehrszeichen, Werbeplakate, Marktstände oder Altglascontainer einmal werden, die unsere Nachkommen in den heutigen Alltag blicken lassen.
Diskussionen anregen
Seit vier Jahren arbeitet der Fotograf mit der Kunsthistorikerin nun schon am Projekt "Zeitschichten", das in eine noch nicht terminierte Ausstellung fließt. Führungen, Vorträge und andere Veranstaltungen sollen sich daraus entwickeln und zu Diskussionen anregen. Zumal die 220 Schwarz-Weiß-Aufnahmen und begleitenden Texte die Domstadt eben auch aus einer möglichen Perspektive kommender Generationen beleuchten.
"Unser Stadtbild ist zu lesen wie ein altes Pergament, das beschrieben, abgeschabt und wiederbeschrieben wurde", sagt Gabriele Wiesemann. "Zeitschichten" geht in die Tiefe. Vergangenes, das Menschen umgibt und dennoch kaum wahrnehmbar ist, soll aufleben. "Nebensächliches rückt in den Blickpunkt. Altbekanntes bekommt im historischen Kontext eine neue Bedeutung." So sieht man unter Schlötzers Schwarz-Weiß-Bildern eine Aufnahme, die jeden Betrachter normalerweise rätseln lässt: Was sah der Fotograf in der Szenerie, die in keinem Touristenprospekt fürs Weltkulturerbe werben würde?
So sieht man unter Schlötzers Schwarz-Weiß-Bildern eine Aufnahme, die jeden Betrachter normalerweise rätseln lässt: Was sah der Fotograf in der Szenerie, die fürs malerische Weltkulturerbe normalerweise kaum die Werbetrommel schlagen kann? Dabei verbirgt sich dahinter die Geschichte von Bamberger Gärtnern, die auf die Barrikaden gingen, um die Zerstörung eines historischen Teils der Stadt zu verhindern. Demnach sollte in den 60er Jahren das "alte Gerutsch" der Vision von einer Verbindungsstraße zwischen Löwenbrücke und Zollnerunterführung weichen ("Durchbruch Mitte"). Glücklicherweise aber schwang die Abrissbirne nicht, die andernorts genug Schaden anrichtete - denken wir an das "Haus zum Marienbild"oder die einstige Synagoge, die den "Theatergassen" zum Opfer fiel.
"Auf die Idee, mich mit ,Zeitschichten' zu befassen, kam ich schon 1999", erinnert sich Gerhard Schlötzer. Kleine Bühnenbilder wollte er schaffen, die an Vergangenes jenseits der Touristenpfade erinnern, die Gegenwart erfassen und Menschen der Zukunft noch ungeschriebene Geschichten erzählen. "Wie sieht man in 100 Jahren wohl ,Bamberg zaubert', Demonstrationen oder einen Motorradgottesdienst auf dem Domberg?" Fragen, die den Fotografen faszinieren, nachdem die Dokumentation kommenden Generationen eigene Botschaften übermittelt. So geht sie in den Besitz des Historischen Vereins über und wird im Stadtarchiv als Teil des kulturellen Gedächtnisses bewahrt, wie Wiesemann ausführt.
Mehr sehen als der Fotograf
Interessant ist für Schlötzer natürlich auch die Frage, was Zeitgenossen in seinen 220 Bildern sehen. "Jeder nimmt anders und Anderes wahr. Demnach zeigen Fotos viel mehr, als ein Fotograf damit möglicherweise auszudrücken suchte." Welche Anregungen Gabriele Wiesemann aus den Aufnahmen zog, davon erzählen ihre Texte.
"Trends und Themen der Gegenwart werden über ,Zeitschichten' auch unter dem Aspekt aufgegriffen, was sich daraus in der Zukunft entwickeln könnte", sagt die Kunsthistorikerin. Ob es dabei um den drohenden Verkehrskollaps geht, der für kommende Generationen angesichts bahnbrechender Erfindungen vielleicht nur mehr eine Kuriosität der Vorväter ist. Oder die Landflucht, die gegensätzlichen Tendenzen der 60er und 70er Jahre folgte, als Metropolenbewohner noch vom Häuschen im Grünen träumten.
So weit spannt sich also der Bogen in dem Projekt "Zeitschichten", das vom Bayerischen Kulturfonds, der Oberfrankenstiftung, der Welterbestiftung und anderen Einrichtungen gefördert wird. Unterstützen können Interessenten die Initiative aber auch, indem sie sich vorab Bilder sichern. "Abzüge, die bei der Ausstellung für 400 Euro erhältlich sind, bieten wir im Vorfeld für 300 Euro", so Schlötzer.
Fragen und Anregungen
In Kontakt tritt man mit den beiden Autoren übrigens am besten per Mail: Gerhard Schlötzer ist via schl@gmx.de de, Gabriele Wiesemann unter G.Wiesemann@t-online.de erreichbar.