Eine Wirtin zwischen Herd, Tresen und Bühne
Autor: Anette Schreiber
Stappenbach, Montag, 03. Juni 2019
Claudia Raab sorgt dafür, dass die Traditionswirtschaft in Stappenbach Bestand hat - mit einem Konzept, das ihr auch als Künstlerin eine Bühne bietet.
Vom Jäger werden Rehkeulen geliefert, Claudia Raab dirigiert diese gleich in den Kühlraum. Dann ein Blick auf die Uhr - in zwei Stunden ist Probe. Zu ihren Kindern muss die 37-Jährige auch noch. Schnell schreibt sich die junge Frau "Oma" auf den Handrücken, denn sie darf nicht vergessen, der zum Geburtstag zu gratulieren. Die 86-Jährige ist ein hoch geschätzter Rezept-Fundus und hilft noch in der Küche mit. Der gute Geist hinter dem Tresen und sonstigem, Sebastian Dreßel, schwirrt seinerseits über den liebevoll hergerichteten Dreiseithof. Seit 1875 ist der samt Wirtschaft in Familienbesitz. "Zum Wirt" muss man geboren sein, lautet die Familien-Philosophie. Für Claudia Raab gilt das genauso wie für ihren Vater. Deswegen führt sie den Betrieb seit diesem Jahr und in fünfter Generation. Mit einem ganz neuen Ansatz, der auch ihre eigenen Bedürfnisse erfüllt.
"Ich brauche eine Bühne", sagt die quirlige Frau strahlend. Schon der Großvater war begeisterter Musiker, ebenso der Vater. Schließlich hat jedes der fünf Kinder nicht nur eifrig mitgesungen, sondern auch ein Instrument erlernt. Neben der ganz selbstverständlichen Arbeit in der Gaststätte. Claudia hat sich dabei nicht beim Spülen versteckt, sondern war an der Front bei den Gästen, sie hat bedient.
Claudias Gitarre liegt für den nächsten Einsatz im Wagen bereit. Eines von mehreren Familien-Akkordeons hat einen Ehrenplatz im Schaukasten. Einmal im Monat spielt Sebastian Dreßel beim Wirtshaussingen auf.
Das genügt der Tochter nicht. Sie hat sich in vielen Jahren zur vielseitigen Sängerin ausbilden lassen, die bei Familienfeiern ebenso auftritt wie bei Aufführungen des Fränkischen Theatersommers und mittlerweile auf der eigenen Bühne in der Scheune des Gasthofes. Ein Teil des Konzeptes, mit dem Claudia Raab das Unternehmen fit für die Zukunft machen will.
Nach dem Tod der Mutter vor zwei Jahren, von der alle sagen, sie sei Herz und Motor der Wirtschaft gewesen, haben Sebastian Dreßel und seine Kinder mit ihren Partnern die Wirtschaft mehr oder weniger improvisierend über Wasser gehalten. Es wurde eine GmbH gegründet, damit derjenige, der hier weitermacht, auch abgesichert ist. "Klar war immer, dass einer alles bekommt", erklärt der 62-Jährige. Nachdem sich einige Geschwister versucht hatten, aber dann andere Pläne verfolgten, blieb Claudia.
Als gelernte Hauswirtschafterin und Hotelfachfrau kann sie kochen und Service. Ihr Ehemann und die Kinder stehen voll hinter der Mama als Wirtin. "Sonst würde das nicht gehen", weiß sie. So werden zugleich ein bisschen die Weichen dafür gestellt, dass womöglich eines ihrer Kinder "Zum Wirt" wird.
Grundsätzlich hatte für Sebastian Dreßel und seine verstorbene Frau Gerlinde immer festgestanden, dass jedes der Kinder den Betrieb übernehmen kann, "aber dann alles". Also Gastwirtschaft und Landwirtschaft. Heute sind die Felder erst einmal verpachtet.