Ein Lächeln trotz Kurzarbeit
Autor: Stefan Fößel
Bamberg, Montag, 20. April 2020
Kristina Weber gehört zu den vielen Arbeitnehmern, die in diesen Wochen ganz oder zeitweise nach Hause geschickt werden. Sie hat das Glück, dass ihre Firma viel vom Gehaltsverlust auffängt. Doch so geht es längst nicht allen.
Kurzarbeit Null - seit die Läden Mitte März schließen mussten, ist das auch für die 27 Bamberger H&M-Mitarbeiter Realität. "Die Kollegen haben das eigentlich ganz gut aufgenommen. Das liegt aber auch daran, dass wir sehr zufrieden mit unserem Abschluss sein können", sagt Kristina Weber.
Dass sie trotzdem noch einige Stunden in der Woche arbeitet, liegt an ihrer Funktion als Betriebsratsvorsitzende. "Unser Gesamtbetriebsrat hat sehr gut verhandelt, wir konnten das Ergebnis 1:1 übernehmen." Für den gesamten Monat März bekamen alle noch 100 Prozent der bisherigen Bezüge. Und auch im April und März wird der Arbeitgeber auf 90 Prozent aufstocken.
"Ich habe von anderen Unternehmen gehört, die das nicht gemacht haben. Aber mit 60 Prozent kann doch in unserer Branche keiner überleben.", sagt die 29-jährige Verkaufsberaterin. Ihr Arbeitgeber sei im Gegensatz zu manchen anderen noch tarifgebunden. Das Problem gerade im Einzelhandel sei aber, dass kaum noch jemand einen Vollzeitvertrag bekomme. Und daher schon in normalen Zeiten auf zusätzliche Nebenjobs angewiesen sei. Wenn dann aber vom untertariflichen Teilzeiteinkommen nur 60 oder 67 Prozent (bei Beschäftigten mit Kindern) bleiben, stürze das manch einen in existenzielle Nöte.
Das Thema Kurzarbeit zieht sich durch fast alle Branchen. Dieses Instrument soll Firmen entlasten und Arbeitsplätze erhalten. Auf wieviel Geld die Beschäftigten dafür verzichten müssen, hängt von den Unternehmen ab. "In unserem Gesamtbezirk haben allein im März 3500 vor allem kleinere Betriebe Kurzarbeit angemeldet. Zum Vergleich: Im November, einem Durchschnittsmonat, waren es gerade einmal 26", sagt Matthias Klar von der Arbeitsagentur Bamberg-Coburg. Gerade für viele Kleinbetriebe seien die Geschäftsschließungen so gewesen, als ob man in einem fahrenden Zug die Notbremse zieht. Entsprechend hat auch Klars Behörde Personal umverteilen müssen, allein in Bamberg sind nun fünf bis sechs Berater für Kurzarbeiter zuständig.
Die neuesten Zahlen in Sachen Kurzarbeit werden Anfang der kommenden Woche vorliegen. Wenn sie noch einmal steil nach oben gegangen sind, dürfte das keinen groß überraschen. "Kurzarbeit ist kein Allheilmittel, aber eine Medizin", sagt Klar, der auch als Arbeitsvermittler schon Krisenjahre erlebt hat. 2005 habe sich die Arbeitslosigkeit fast verdoppelt, zur Zeit der Finanzkrise 2009 seien die Arbeitgeber "schon geistig weg von der Hire-and-Fire-Mentalität" gewesen.
"Mit geringem Einkommen kann Kurzarbeit richtig schlimm sein", sagt Paul Lehmann, Gewerkschaftssekretär bei Verdi. Er kenne viele Beschäftigte, die schon regulär nur auf 700 oder 800 Euro brutto kommen. Gerade in der derzeitigen Situation sei es hilfreich, Mitglied einer Gewerkschaft zu sein und sich vom jeweiligen Betriebsrat beraten zu lassen.
Dass im Zuge der Corona-Krise auch Kellner, Köchinnen und Hotelangestellte in Bamberg mit extremen Lohneinbußen zu kämpfen haben, beklagt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) - und fordert eine deutliche Aufstockung des Kurzarbeitergeldes. "Mit 60 Prozent des bisherigen Lohns auszukommen, ist im Gastgewerbe ein Ding der Unmöglichkeit. In Bayern bleiben einem gelernten Koch ohne Kinder in Vollzeit am Monatsende nur rund 900 Euro", macht NGG-Geschäftsführer Michael Grundl deutlich. Dies setze voraus, dass nach Tarif gezahlt werde - was häufig jedoch nicht einmal der Fall sei. Die Gewerkschaft NGG ruft die Bundestagsabgeordneten aus der Region dazu auf, sich in Berlin für eine rasche Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf mindestens 80 Prozent (Eltern: 87 Prozent) einzusetzen. "Corona darf nicht zur Katastrophe für die werden, die ohnehin jeden Cent zweimal umdrehen müssen."