Druckartikel: Ein Hut steht jedem gut

Ein Hut steht jedem gut


Autor: Sabine Christofzik

Bamberg, Samstag, 24. Juni 2017

Julia Schneider-Koch ist Modistin. Hüte werden nur noch in wenigen Städten von Hand gemacht.
Klassisches und Ausgefallenes: Julia Schneider-Koch fertigt in ihrem Hutatelier beides an. Foto: Barbara Herbst


Eine scheinbar endlose Wendeltreppe führt vom Laden hinauf in den ersten Stock. Wie oft Julia Schneider-Koch und ihre Mitarbeiterinnen am Tag hinauf und hinunter müssen, richtet sich vor allem danach, wie oft das elektronische Gong-Signal meldet, dass sich jemand für die strohfarbenen und bunten, schlichten und extravaganten Kreationen interessiert, die in Regalen und auf Ständern darauf warten, zur Probe aufgesetzt zu werden.

Alles was dort zur Auswahl steht (bis auf Accessoires und einige Mützen) ist im Atelier entstanden, von dessen Fenstern man einen Blick auf die Martinskirche und die Marktstände davor hat. Hier arbeiten Modistinnen - ein Beruf, der mittlerweile selten geworden ist.


Berufsschule in München

So selten, dass in der Berufsschule für Bekleidung in München, die Julia Schneider-Kochs Auszubildende Victoria Heindl besucht, im Jahrgang über ihr nur eine einzige Schülerin ist, die deshalb mit dem Unterricht für das dritte Lehrjahr beginnen musste.

Das war 1998, als ihre Chefin die Ausbildung zur Modistin begann, anders. "Ich war in Regensburg auf der Schule, da waren wir zu siebt. Danach ist die Lehrerin in Ruhestand gegangen und alles wurde in München zusammengefasst."

Den praktischen Teil der Ausbildung hat Julia Schneider-Koch im Bamberger Hutgeschäft Christl Wagner am Grünen Markt gemacht. Seit 2009 ist sie Meisterin. 2013 hat sie sich selbstständig gemacht und Laden und Atelier übernommen. Auch die Kolleginnen blieben.

Ein alter, langer Tisch nahe der Fensterreihe steht voller Arbeitsmaterial. Auf der gegenüberliegenden Seite an der Wand dominiert das Regal mit unzähligen Formen: solche, die dem Oberteil des Hutes Facon verleihen und solche für die Krempen.


Hitze, Dehnung, Zug und nasse Tücher

Die meisten sind aus Gips und teilweise selbst gemacht, andere aus Holz. "Das sind die richtig teuren", sagt Julia Schneider-Koch und greift ein Exemplar heraus. "Ich halte immer wieder nach neuen Ausschau. Diese hier ist aus Paris. Für solche muss man schon mal bis zu 500 Euro anlegen."

In die richtige Form bringen ist die Grundarbeit, die bei der Anfertigung jedes Huts zu leisten ist. Dazu braucht man Hitze, Dehnung, Zug, nasse Tücher, Wasser aus der Sprühflasche. Und Bügeleisen.

220 Grad heiß ist die durch Kurbeleinsatz verbreiterbare Vorrichtung, die - zum Beispiel - einen vorher in den Händen gewalkten und gekneteten, feuchten Filz-Rohling so geschmeidig macht, dass er sich den Konturen der Hutform anpasst. Immer wieder muss nachbefeuchtet, mit den Händen ausgestrichen und dem Bügeleisen angedrückt werden.

Jeden einzelnen Arbeitsschritt, der sich bei Filz- und Strohhüten auch noch unterscheidet, würde zu sehr ins Detail gehen. Grob im Überblick stehen bei einen einfachen Strohhut nach der Formgebung das Einnähen des Innenbands an, das die Kopfweite regelt, das Einlegen einer Art Holz-"Draht" zur Verstärkung des Krempenrands, das Umnähen desselben, und das Annähen des Ripsbandes. Appretiert werden muss er auch noch.


Viele Sonderanfertigungen

Zwischen 20 Minuten (für einen schlichtes Herren-Modell aus Stroh) und mehreren Tagen für eine extravagante Damen-Kreation aus anderen Materialien, dauert so ein Fertigungsvorgang in der Hutmanufaktur. "Die besonderen Arbeiten lege ich immer mal wieder zur Seite, überdenke sie neu. Solche Sachen kann man nicht in allen Fällen hintereinanderweg machen."

Unter dem, was aus Schneiders Hutmanufaktur seinen Weg auf die Häupter der Kunden findet, sind viele klassische Hutformen, teils in leuchtenden Farben und mit dem kleinen Extra bei der Garnitur, aber auch jede Menge Sonderanfertigungen genau nach Kundenwunsch oder nach den Entwürfen der Modist-Meisterin.


Viele Gelegenheitskäufer

Neben der Stammkundschaft gibt es in einer Touristenstadt wie Bamberg auch sehr viele Gelenheitskäufer. "Der Flusskreuzfahrttourismus macht sich da sehr bemerkbar, sagt Julia Schneider-Koch. "Es sind zum Beispiel Australier darunter, die bei sich zu Hause Pferderennen besuchen. Da darf es dann gern mal ein ausgefallenen Hutmodell sein, das sie als Souvenir aus Bamberg mitnehmen."

Auch für Ascot-Besucherinnen arbeitet sie. Manche Kundinnen - aber nicht nur die, die zu dem berühmten Rennen nach England fahren - bringen das Kleid mit, zu dem sie einen Hut brauchen. Andere wiederum lassen den Hut die Hauptsache sein und wählen danach ihr Outfit aus."

So mancher bringt seine liebgewonnene Kopfbedeckung in die Hutmanufaktur und lässt sie instandsetzen oder umarbeiten.


Es gibt für jeden die passende Form

Gibt es Menschen, denen ein Hut nicht gut zu Gesicht steht? "Nein, die gibt es nicht", ist Julia Schneider-Koch überzeugt. "Es gibt für jeden die passende Form. Allerdings muss man sich auf das Huttragen einlassen. Ich vergleiche das mit dem Brille-Tragen. Erst hat man nur ein Gestell, an das man sich langsam gewöhnt. Dann wird man mutiger und legt sich mehrere in verschiedenen Formen zu. Huttragen ist so etwas wie ein Statement. Wer da ein Neuling ist, muss mit der Aufmerksamkeit, die er damit erregt, erstmal klarkommen."