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Ein Genie im Schloss Seehof


Autor: Rüdiger Klein

Bamberg, Donnerstag, 22. März 2018

Neumann hat ihn "entdeckt": Ferdinand Hundt, ein begnadeter Kunstschreiner und Zierratenschnitzer des Rokoko, hat sich im Schloss Seehof verewigt.
Ein Idyll: Schloss Seehof in der Abendsonne. Sabine Hemmer


D ie Castings-Shows des 18. Jahrhunderts fanden nicht auf dem Laufsteg statt, sondern in den Bauhütten und Bildhauer- oder Kunstschreiner-Werkstätten in der Nähe der großen und kleinen Schlossbauten des späten Barock und beginnenden Rokoko.
Um Schönheit, Klarheit und das ganz Besondere ging es dabei zuerst. Erstaunlich genug: Nicht immer ließen die Herrscher nur ausgewiesene Spezialisten für irdische Schönheit ans Werk gehen. Man war durchaus offen für Neuentdeckungen und allerhand Experimente. In Würzburg etwa, wo Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn im Jahre 1719 den Militär-Ingenieur Balthasar Neumann aus Eger zum fürstbischöflichen Baudirektor berief, um sich von dem 32-jährigen Himmelsstürmer einen Residenz-Neubau planen und errichten zu lassen. Moderne und innovative Ideen erhoffte sich der Bauherr von Neumann und Fortschritte im einschlägigen Handwerk vor Ort. So wurden im 18. Jahrhundert die Supertalente entdeckt.
Weil repräsentative Bauwerke als Spiegel der Schöpfung galten und Gesamtkunstwerke zu sein hatten, durfte kein handwerkliches Detail hinter dem Glanz des Ganzen zurückbleiben. So muss es nicht verwundern, dass im Gefolge der berühmten Baumeister immer wieder auch großartige Ausstattungskünstler auftauchten. Der 1703 geborene Kunstschreiner Ferdinand Hundt ist so ein Kunsthandwerker-Genie.
Auf den Baustellen Balthasar Neumanns taucht Hundt nach 1720 mit einem Mal wie aus dem Nichts auf. In einer bald 40 Jahre anhaltenden Karriere wirkte Hundt stilprägend und verschwand als Künstler nach seinem Tod im Februar 1758 doch erstaunlich schnell aus dem Gedächtnis der Welt.
Gleichwie, in Franken hatte Hundt Erfolg. Als Kunstschreiner ist er ab 1735 in den Bauprotokollen für die Würzburger Residenz nachgewiesen. Ab 1746 findet man Ferdinand Hundt in den Diensten des Bamberger Fürstbischofs Johann Philipp Anton von und zu Franckenstein. Da hatte er aber auf Vermittlung seines Gönners Balthasar Neumann auch schon mit dem Speyerer Fürstbischof Franz Christoph von Hutten angebandelt. Der ließ gerade ein paar Hundertschaften exzellenter Baukunsthandwerker an seinem Bruchsaler Barock-Schloss der Superlative arbeiten und Hundt wurde später sein Hofschreiner.
Knapp zwei Jahrhunderte lang fanden sich in der Sommerresidenz Schloss Seehof - in der Gemarkung von Memmelsdorf bei Bamberg gelegen - die meisten Zierraten-Schöpfungen von der Hand Ferdinand Hundts. Die letzten Besitzer haben jedoch beinahe alles Mobiliar in alle Welt verkauft, erklärt nun Reiner Schulz in seiner im Dezember 2017 vorgelegten Studie über die "Tätigkeit Ferdinand Hundts als Kunstschreiner und Zierratenschnitzer in Schloss Seehof unter Fürstbischof Johann Philipp Anton von und zu Franckenstein".
Dass Hundt in Schloss Seehof mit Ausstattungsarbeiten für die fürstbischöflichen Wohnräume beauftragt war, wurde überhaupt erst 1990 von Sigrid Sangl und Verena Friedrich wiederentdeckt. Reiner Schulz unternimmt in seiner Veröffentlichung, die vom Historischen Verein Bamberg publiziert wurde, den erfolgreichen Versuch einer stilistischen Zuordnung von Ornamentschnitzereien an Ferdinand Hundt.
Die Inneneinrichtung der fürstbischöflichen Wohnräume in Schloss Seehof wurde laut Schulz ursprünglich außer von Gemälden und Stuckaturen maßgeblich von den geschnitzten und vollständig vergoldeten Spiegelrahmen, Konsoltischen, Kommoden und Sitzmöbeln geprägt, die wegen ihrer außergewöhnlichen Expressivität dem Ferdinand Hundt zugeschrieben werden können. Diese Möbel gelten ebenso wie die Kaminspiegelrahmen im Festsaal von Seehof als die herausragendsten Arbeiten der Rokoko-Schnitzkunst im Fränkischen.
Hundt habe, so Schulz, Pflanzen- und Tierdarstellungen so fabelhaft filigran geschnitzt und in Szene gesetzt wie kein Zweiter in seiner Zeit. Denn er dekoriert die Ausstattungsobjekte nicht nur, er lässt sie vielmehr komplett aus dem Ornament entstehen.
Für den von Giuseppe Appiani mit einem Deckenfresco ausgestalteten Festsaal im Schloss Seehof, dessen Wände Appiani mit floraler Blaumalerei belegte, schnitzte Ferdinand Hundt die Spiegelrahmen über den beiden Kaminen und die fünf Rahmen für die Stuckreliefs über den Türen. Die Blatt- und Blütenmotive, die die Spiegelrahmen umspielen, zeigen sich in frühlingshaftem Wachstum.
In den Museumsräumen von Schloss Seehof sind aktuell wieder einige Originalmöbel aus der Zeit um 1750 zu bewundern. Auch sie schreibt Schulz dem Ferdinand Hundt zu. Im vormaligen Schlafzimmer des Fürstbischofs befinden sich demnach zwei Supraportenrahmen mit Hunden und Vögeln, die Hundt gestaltet hat, und ein dazu passender Konsoltisch mit Jagdmotiven. Im Vorzimmer des Fürstbischofs steht ein Esstisch, der rundherum mit aufwändigen Schnitzereien versehen ist und im Audienzzimmer des ersten Gesandten finden sich virtuose Konsoltische und Spiegelrahmen von Ferdinand Hundt, so Schulz schlussendlich.
Ein Besuch in Schloss Seehof ist ab Ende März wieder möglich. Und Reiner Schulz wünscht sich da viele neugierige Wieder- oder Erstentdecker für die Ornamentschnitzkunst von Ferdinand Hundt.

INFO: Schloss Seehof wurde ab 1686 als Sommerresidenz der Bamberger Fürstbischöfe nach Plänen von Antonio Petrini errichtet. Nach Säkularisation und Verwahrlosung in Privatbesitz waren Ende des 20. Jahrhunderts umfangreiche Sanierungsmaßnahmen nötig. Der Großteil des Schlosses wird heute vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege genutzt. Für Besucher sind neun Schauräume des restaurierten Appartements der Fürstbischöfe zugänglich. Kontakt: Telefon 0951/ 4095-71, museum@schlosspark-seehof.de, Öffnungszeiten: 29. März bis Ende Oktober je von 9 bis 18 Uhr.