Druckartikel: Ein Franke übersetzt Sprichwörter ins Russische

Ein Franke übersetzt Sprichwörter ins Russische


Autor: Natalie Schalk

Bamberg, Sonntag, 29. Sept. 2013

Der Memmelsdorfer Arsen Zaloew hat 7000 deutsche Sprichwörter ins Russische übertragen - und dabei überraschende Bezüge entdeckt.
Grafik: Susanne Röhrig


Nach dem ersten Glässchen Wodka liefert ein deutsches Sprichwort den Grund für ein zweites: Auf einem Bein steht man schlecht. Als Arsen Zaloew das zum ersten Mal las, war er bass erstaunt, denn der russische Sprichwortschatz ergänzt die deutsche Redewendung - mit einem kaum zu widerlegenden Argument für's dritte Stamperl: Gott liebt die Dreifaltigkeit. Was nichts anderes meint als: Aller guten Dinge sind drei. Bedeutet in diesem Fall: Einer geht noch.


Auf Hieronymus' Spuren

Heute ist Tag des Übersetzers, und damit ein bisschen der Tag Arsen Zaloews. Obwohl der Mann aus Memmelsdorf (Kreis Bamberg) gar kein Übersetzer ist, zumindest hat er kein Diplom. Aber er hat aus privatem Interesse 7000 deutsche Sprichwörter ins Russische übertragen. Zaloew ist ein Mittler zwischen den Sprachen - und genau das will die International Federation of Translators mit dem Gedenktag würdigen. Seit über 20 Jahren wird er am Namens- und Todestag des Kirchengelehrten Hieronymus begangen. Hieronymus hatte unter anderem das Alte Testament aus dem Hebräischen ins gesprochene Latein übertragen und gilt als Schutzpatron der Übersetzer. Heuer soll der Aktionstag besonders an die Bedeutung des Übersetzens in einer immer stärker global vernetzten Welt erinnern.

"Die deutsche Sprache geht unter", sagt Arsen Zaloew. Stirnrunzelnd fügt er hinzu: "Leider. Aber es ist so, dramatisch: Ob in Kasachstan, in Russland oder in der Ukraine, überall wollen die Leute gern deutsche Autos, deutsche Waren. Aber nicht die deutsche Sprache." Für Zaloew war das der Grund, den Verein "Brücken der Freundschaft" zu gründen. In Kasachstan war er Mathelehrer, nun ist er als Vereinsvorsitzender ständig auf der Suche nach deutschen Lehrern, die eine Partnerschaft mit einer Schule in einem GUS-Staat aufbauen wollen. Wer Interesse hat, soll ihm eine Email an ars_nk@web.de schreiben.


Deutsch in Rätseln

Arsen Zaloew hat eine Ahnung, warum das Deutsche nicht besonders beliebt ist: "Die Grammatik! Perfekt, Imperfekt, Plusquamperfekt und so weiter. Es ist schwierig." Als der 61-Jährige vor etwa zwei Jahrzehnten mit seiner Familie als Spätaussiedler nach Deutschland kam, musste er hier die Sprache erst einmal richtig lernen. Eine Methode waren für ihn die Kreuzworträtsel in der Zeitung.

Rätselbücher, in denen die Wörter nach ihrer Buchstabenzahl sortiert sind, gefielen Zaloew nicht. Der ehemalige Mathematiklehrer ordnete die Begriffe in thematische Reihen: Flüsse, Fauna, Flora. Im Laufe der Jahre hatte er sein eigenes Rätsellexikon zusammengestellt. "Vor sieben oder acht Jahren fing ich mit den Sprichwörtern an", erzählt er. Er fand viele, die in beiden Sprachen ähnlich sind. "Aber meine Güte! Im Deutschen gibt es so viele. So viele, die es im Russischen nicht gibt. Und es geht nicht, dass man sie eins zu eins, Wort für Wort, übersetzt."
Sprichwörter und Redewendungen funktionieren bildlich - aber die Bilder sind in verschiedenen Kulturen oft andere. Zaloew spricht über den Roman "Die toten Seelen" von Nikolaj Gogol. "Es geht um Leute, die gibt es - und gleichzeitig gibt es sie nicht. Auf Russisch heißt das Buch ,Die Karteileichen‘." Er überlegt kurz, sucht weitere Bilder und klopft auf den Tisch: "Alles, was darauf liegt, muss man erst mal erledigen." Zaloew wischt mit der Hand über den Tisch als würde er alles was darauf liegt in eine Schublade fegen. "Um das, was im Schubkasten ist, kümmert man sich später." Er lächelt. "Viel, viel später."

Wenn jemand in Russland etwas in die große Schublade unterm Tisch steckt, ist das also, als würde es hierzulande auf die lange Bank geschoben. Wie die russische ist auch die deutsche Redewendung schon sehr alt. Sie soll aus einer Zeit stammen, in der Akten auf einer langen Bank oder Sitztruhe gelagert wurden.

Etwa 7000 solche Sprachbilder hat Zaloew mittlerweile gesammelt. 280 eng beschriebene Seiten auf dem Computer, gerade bereitet er sie für eine Veröffentlichung vor. Ein E-Book soll es werden, überall in der globalisierten Welt abrufbar. Und das soll weder in der großen Schublade noch auf der langen Bank landen.