Ein Film, der das Leben verändert
Autor: Diana Fuchs
Bamberg, Donnerstag, 15. März 2018
Der Bamberger Dokumentarfilmer Christian Beyer erhielt den Preis für den besten Regionalfilm. Beyer hat monatelang im Selbsterntegarten gefilmt.
E r möchte die Zuschauer inspirieren. Das ist Christian Beyers großes Ziel. Der 34-Jährige ist Dokumentarfilmer. Sieben Monate lang hat er die Entwicklung des ersten Selbsterntegartens (SeGa) in der Bamberger Nordflur begleitet und daraus einen fast halbstündigen Dokumentarfilm gedreht. "Ernten Was Man Sät" gewann kürzlich bei den 28. Bamberger Kurzfilmtagen in der Kategorie Regionalfilm den ersten Preis. Demnächst wird der Film wahrscheinlich in Berlin zu sehen sein, berichtet Christian Beyer beim Interview mit dem "Fränkischen Sonntag" voller Freude.
"Transition Bamberg" heißt eine offene Gruppe, die das Leben nachhaltig und lebenswert machen will. Diese Gruppe hat vor zwei Jahren dazu aufgerufen, "den Garten in die Stadt zu holen". Wer hatte die Idee, daraus einen Film zu machen?
Christian Beyer: Eines Abends habe ich meinen Dokumentarfilm "Sehnsucht Tibet - ein Leben im Exil" im Lichtspielkino vorgeführt. Danach kam Heike Kettner, Netzwerkerin von Transition, auf mich zu. Sie hat gefragt, ob ich nicht was über den SeGa machen will. Naja, dann bin ich halt mal in die Nordflur geradelt.
Wer waren - sind - die SeGa-Gärtner?
Kinder mit Eltern, Studenten, Berufstätige, Rentner, Leute aus dem Gartenbau - eigentlich ist es wie ein Querschnitt durch die ganze Gesellschaft. 80 Personen haben zu Anfang auf 30 Parzellen, je zirka 30 Quadratmeter groß, und zwei Gemeinschaftsflächen gearbeitet. Dreh- und Angelpunkt sind nach wie vor Wilhelm Schubert, der frühere Leiter des Gemüsebauversuchsbetriebs der LWG, und Gärtner Heiner Neubauer. Der Willi ist sehr oft auf dem Feld und sagt, was wann gemacht werden muss. Er plant und zeigt den Leuten, wie es geht.
Warum ist das alles so spannend, dass es sogar als Filmgeschichte taugt?
Das hab' ich mich zu Beginn auch gefragt. Gärtnern war für mich eher ein nüchternes, langweiliges Altherrenthema. Doch meine Wahrnehmung hat sich schnell verändert und ich habe den tieferen Sinn des Projekts gesehen.
Inwiefern?
Ich wusste zwar, dass "Urban Gardening" in Großstädten ein großes Thema ist, aber bei uns auf dem Land? Ich war echt geflashed, wie viele - auch junge - Leute sich dafür begeisterten. Und dann habe ich es auch selbst gespürt: wie man zwischen all den Pflanzen zur Ruhe kommt, gelassen wird, den stressigen Alltag hinter sich lässt. Es ist faszinierend zu sehen, wie viel Leben in so einem Feld steckt, wie viele Insekten sich da tummeln. Mir ist beim Filmen zum ersten Mal so richtig bewusst geworden, wie lebendig die Pflanzen sind, dass die je nach Wind, Wetter und Sonnenstand unterschiedlich aussehen. Das ist mir bei Zeitrafferaufnahmen fast zum Verhängnis geworden.
Sieben Monate warst du jeden zweiten Tag für mehrere Stunden auf dem Feld - das ist eine lange Zeit. Wie hast du das Projekt finanziert?
Ich wollte von den Teilnehmern kein Geld. Am Anfang wusste ich ja auch noch nicht genau, was ich überhaupt machen werde. Und ich wollte unabhängig bleiben und meine neue Kamera ausprobieren. Am Ende habe ich ein paar Hundert Euro vom Sponsor, dem evangelisches Bildungswerk Bamberg, als Unterstützung bekommen.
Hast Du selbst auch Dein eigenes Bio-Gemüse geerntet?
Nein, ich habe nur gefilmt und fotografiert, immer so zwischen einer und drei Stunden lang. Aber ich habe dabei natürlich einiges über Gemüse dazugelernt - und ich habe viel Gemüse geschenkt bekommen.
Was hat der Film bei dir verändert?
Das Tolle war, Tomaten, Paprika, Gurken, Zucchini und so weiter zu essen, die ich von Anfang an beim Wachsen begleitet und fotografiert hatte. Ich wusste: Da sind keinerlei chemische Mittelchen drangekommen, sondern da haben Hobbygärtner Zeit, Liebe und zum Teil auch Geld investiert. Das hat mich dazu gebracht, mich noch mehr über die Gärtnertradition in Bamberg zu informieren.
Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?
Man wird als Gärtner nicht gerecht entlohnt. Regional angebaute Lebensmittel müssen teurer sein als billiges Gemüse aus Massenproduktion. Wenn wir öfter mal beim regionalen Hofladen einkaufen gehen, sichern wir die Gärtnertradition und erhalten eine Qualität, die nur regional möglich ist. Ich bin Vegetarier, seit ich 17 bin. Aber erst durch den Film ist mir nochmal richtig bewusst geworden, wie gut regionale und vor allem auch saisonale Ernährung ist.
Wie kam es zu dem - fast biblisch klingenden - Filmtitel: "Ernten Was Man Sät"?
Der Titel hat zwei Ebenen: Zum einen geht es darum, wie sich die Teilnehmer verändert haben - Thema Lebensmittel-Konsum. Zum anderen habe ich aber auch selbst von diesem Projekt profitiert. Sowohl in technischer Hinsicht - ich kenne meine Kamera jetzt in- und auswendig - als auch in menschlicher. Ich habe viele bereichernde Menschen kennen gelernt, mit denen ich heute noch Kontakt habe.
Du hast sogar die Musik zum Film selbst komponiert? Auch selbst eingespielt?
Jedes Instrument, bis aufs Schlagzeug, habe ich selbst gespielt. Das Schlagzeug habe ich programmiert und später alles abgemischt. Ich bin schon seit Grundschulzeit Musiker, hatte Glockenspiel- und Keyboard-Unterricht und habe mir Gitarre und Klavier spielen selbst beigebracht. Film und Musik - das gehört für mich zusammen.
Was machst Du jetzt mit deinem Preis, dem "Goldenen Reiter"?
Der steht auf meinem alten Klavier, neben guten schottischen Whiskys. Adelbert Heil, der Künstler, der den 25 Zentimeter hohen Schokoladen-Reiter mit Goldüberzug geschaffen hat, wollte mich schon bei der Preisverleihung überzeugen, das Kunstwerk nicht alt werden zu lassen, sondern zu essen. Aber bis jetzt konnte ich mich nicht überwinden. Wenn ich's mal mache, dann wird bestimmt ein Film draus...
INFO: Im April soll das Bamberger Projekt "Selbsterntegarten" ausgeweitet werden. Infos: www.transition-bamberg.de; Kontakt zu Christian Beyer gibt es ebenfalls online: www.christian-beyer.net
INFO:
Christian Beyer ist ein klassischer Quereinsteiger. Im Rahmen seines Studiums (Geschichte und Kommunikationswissenschaften) bekam er 2008 das erste Mal eine Videokamera in die Hand und begann nebenberuflich als freier Videojournalist zu arbeiten. Vier Jahre später reiste er nach Nepal und Indien, um seinen ersten Kinodokumentarfilm "Sehnsucht Tibet - Ein Leben im Exil" zu drehen. Seit 2013 konzentriert sich Beyer ganz aufs Filmemachen. Er arbeitet als freier Kameramann, führt Schulungen und Workshops im Bereich Vide o-Journalismus durch. Christian Beyer lebt in Bamberg.