Bambergs bekanntestes Wahrzeichen ist gesperrt
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Montag, 04. April 2016
Die Obere Brücke ist seit Montag voll gesperrt. Nach einer Informationskampagne scheinen sich die unausweichlichen Folgen in Grenzen zu halten.
Es gibt tatsächlich noch Bamberger, die wie arglose Touristen in die "Falle" tappten. In morgendlicher Eile hasteten diese Irrläufer am Montag auf dem Weg zum Arbeitsplatz oder zum Einkaufen über die Obere Brücke - um schnell wieder umzukehren. Mitten im Welterbe, wo am Wochenende noch Tausende Spaziergänger den Ausblick auf Regnitz und Rathaus genossen hatten, halten nun Bauzäune vom andern Ufer ab.
Über Nacht freilich ist die Vollsperrung nicht aus dem 550 Jahre alten Brückenboden gewachsen. Die Stadt hat die Sanierung des Denkmals seit dem lautstarken Protest der viel zu spät eingebundenen Anlieger Anfang des Jahres mit einer beispiellosen Kommunikationskampagne begleitet. Krisensitzungen und Anliegerbesprechungen wechselten einander ab. Webcam, Baustellentafeln, mehrfarbige Leitsysteme und Informationshappen in allen medialen Kanälen sollen verhindern, dass die Operation am offenen Herzen der Stadt, wie es zuletzt im Rathaus hieß, zu einem Infarkt führt.
Danach sah es am Montag nicht aus. Weder kam es an den beiden Enden der zur Sackgasse mutierten Oberen Brücke zu besonderen Problemen, noch schien sich der Passantenstrom in Luft aufgelöst zu haben. Im Gegenteil: Im milden Licht der Mittagssonne füllten sich die Freischankflächen am Obstmarkt auch bei gesperrter Brücke wie von Zauberhand.
Das heißt allerdings nicht, dass die Folgen der voraussichtlich 120 Tage andauernden Sanierung heute schon abzuschätzen wären, bemerkte der Sprecher der Interessengemeinschaft Obere Brücke, Heiner Wohlfahrt. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgte er am Montag das Geschehen. Sein Ziel ist klar: Die Geschäfte sollen allen Widrigkeiten zum Trotz möglichst weiter laufen wie bisher. Gastronomen und Ladenbetreiber legen Wert darauf, dass die Flaniermeile nach wie vor erreichbar ist - und dass es sich lohnt, vorbeizukommen.
Wie die Herbertstraße?
Das kann man durchaus wörtlich nehmen, denn bei der Gestaltung der Baustellensicherung auf der Obstmarktseite hat sich die Stadt etwas Besonderes einfallen lassen: Die Blicköffnungen im Bretterzaun sind wie Bilderrahmen geformt - eine Einladung, hinter die Kulissen zu spähen und der in Sanierung befindlichen Rathausbrücke gewissermaßen neue Perspektiven abzugewinnen. Freilich gab es auch spöttische Kommentare: "Mich erinnert das irgendwie an die berüchtigte Herbertstraße im Hamburger Kiez", urteilt ein Beobachter. Andererseits ist auch klar, dass ein Presslufthammer nicht mit einem leisen Säuseln zu betreiben ist und auf einer schmalen Feierabendbank gleich neben dem Baufeld keine nennenswerte Restaurantrendite zu erzielen ist. Beides war der Grund, weshalb Reinhold Grill, der Betreiber der "Rathausschänke", am Montagmittag entnervt das Handtuch warf und sein Haus mangels Gästen und mangels Platz für diesen Tag zusperrte. " Das wird kein Einzelfall bleiben, und ich glaube auch nicht, dass die Baustelle am 22. Juli zu Ende ist", lautete die s pessimistische Prognose des Mannes, der wegen der Lage seiner Gaststätte unmittelbar neben dem Baufeld durch die Baustelel am meisten betroffen ist. Bei einer Pacht von 5000 Euro im Monat fürchtet er existenzbedrohende Einbußen.
Dass diese Sicht der Dinge nicht unbegründet ist, zeigen Hinweise aus gut unterrichteten Kreisen. Demnach spricht viel dafür, dass das Pachtverhältnis zwischen Grill und dem Eigentümer des Hauses vorzeitig beendet werden wird.
Relativ gelassen beurteilten unterdessen die meisten Touristen den unvorhergesehenen Stopp im Herzen des Welterbes. "Wir suchen einen kurzen Weg zum Schlenkerla", sagte ein Paar aus Niedersachsen, ehe es auf dem Absatz umdrehte. Den frisch auf das Pflaster gepinselten grünen Fußspuren folgend kam es über die Untere Brücke schnell zum Ziel.