Partei "Die Rechte" in Bamberg: Diese Rede war volksverhetzend
Autor: Gertrud Glössner-Möschk
Bamberg, Freitag, 03. März 2017
Sigrid S., eine bekannte Figur der Neonazi-Szene, wurde am Donnerstag in Bamberg wegen Volksverhetzung verurteilt.
Samstag, 30. Januar 2016. Auf den beiden Plätzen vor dem Bamberger Bahnhof stehen sich politische Kontrahenten gegenüber: eine kleine, vielleicht 35 Leute starke Abordnung von Neonazis, die am 83. Jahrestag der Machtübernahme Hitlers in Bamberg gegen "Überfremdung" demonstriert, und etwa 250 Menschen, die mit einem "Fasching gegen den Faschismus" kontern.
Auf dem Podium der Partei "Die Rechte" schwingt die ehemalige NPD-Funktionärin Sigrid S. eine fremdenfeindliche Rede. Die auffällige Rothaarige nimmt die vier Wochen zurückliegenden Vorfälle in der Kölner Silvesternacht in den Fokus. Sie spricht von muslimischen Asylbewerbern als gefährlichen, gesunden, arbeitsfähigen "Testosteronbomben", die sich - so ihre These - zu den Übergriffen auf deutsche Frauen verabredet hätten. Sie unterstellt ihnen die Absicht, dem deutschen Staat ein Gesicht aus aller "Herren muslimischen Ländern geben" zu wollen.
Zuhörer zeichnete Rede auf
Die Rede von Sigrid S. wurde am 30. Januar 2016 von einem Zuhörer aufgezeichnet, abgeschrieben und der Text der Polizei übermittelt. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf und stufte das Gesagte als volksverhetzend ein. Sigrid D. bekam einen Strafbefehl. Sie sollte 120 Tagessätze zahlen. Dagegen legte sie Widerspruch ein. So musste die 47-Jährige Mutter von vier Kindern, die im Landkreis Aschaffenburg lebt, am Donnerstag nach Bamberg zur Hauptverhandlung am Amtsgericht kommen. An ihrer Seite hatte sie die Hamburger Rechtsanwältin Gisa Pahl, die ihrerseits in der rechten Szene keine Unbekannte ist.
Vor ihrer Verteidigungsrede prangerte Sigrid S. erst einmal die "schlechten Recherchen" von Polizei und Staatsanwaltschaft an: Sie sei nicht, wie in der Anklageschrift stehe, am 31. Januar 2016 in Bamberg gewesen. Es stellte sich schnell heraus, dass der 30. Januar gemeint war.
Dann begann sie, dem Gericht eine "Auswahl an Kernsätzen" vorzutragen, damit dieses sich einen "Überblick über das Thema" verschaffen könne. Es waren Pressemeldungen aus dem Internet, mit denen sie belegen wollte, dass Übergriffe von musilimischen Männern auf deutsche Frauen gang und gäbe seien. In ihrer Rede habe sie nur diese Fakten wiedergeben und dazu ihre Meinung sagen wollen.
Nicht aus der Luft gegriffen
Dabei sei der Begriff Testosteronbomben sicher überspitzt gewesen, aber nicht aus der Luft gegriffen. Auch andere hätten ihn schon verwendet, darunter der Publizist Henryk M. Broder. Und selbst die "Bachelorette im Unterschichtsfernsehen" suche nach Testosteronbomben. "Ich stehe mit dieser Bezeichnung nicht allein da." Es gebe keinen Grund, das als Volksverhetzung zu deuten. Richter Schaffranek wollte wissen, wie sich die Angeklagte die "Verabredung" zu den in Köln begangenen Straftaten vorstelle. Dazu hätten sich die Männer doch wohl im Vorfeld verständigen müssen. "Hat es dazu etwa einen Kongress der Beteiligten gegeben?"
Die Angeklagte fand die Frage "gar nicht komisch". Natürlich habe es Absprachen gegeben, per Handy. Schaffranek hakte nach: "Meine Frage geht nicht danach, ob es diese Straftaten gegeben hat, sondern wie Sie sich vorstellen, wie das angesprochen und organisiert worden sein soll." Wie seien die Männer zusammengekommen, um Frauen zu vergewaltigen und den Staat zu übernehmen? Auch dazu fiel Sigrid S. wieder nur "Handy" ein, sie fügte aber an, dass es doch wohl ein großer Zufall wäre, wenn so etwas in mehreren Städten gleichzeitig stattfinden könne. Sie werde das nicht dulden: "Dass Frauen auf deutschem Boden erniedrigt werden, das werde ich nicht zulassen."
Rechtsreferendarin Marina Jakob stellte in ihrem Plädoyer fest, dass der Sachverhalt von der Angeklagten zugegeben worden sei. Man streite sich hier über die rechtliche Würdigung. Für die Staatsanwaltschft stehe außer Frage: In ihrer Rede habe Sigrid S. keineswegs nur von Übergriffen berichten wollen, sondern Stimmungsmache betrieben und zu Hass aufgerufen. Dabei habe sie sich gegen alle Muslime gewandt. "Der Besucher der Kundgebung musste das so verstehen: Sie bezieht sich auf alle Flüchtlinge, ohne Einschränkungen." Jakob beantragte eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, denn Sigrid S. ist bis dato nicht vorbestraft.
Die Verteidigerin, Rechtsanwältin Gisa Pahl, vermisste die Beschäftigung mit der im Grundgesetz verankerten freien Meinungsäußerung. Ihre Mandantin habe lediglich eine Meinung geäußert, aber niemanden angegriffen. Ihre Rede habe sich nicht gegen alle Ausländer, Muslime und Flüchtlinge gewandt, sondern nur gegen jene, die Übergriffe begangen haben. Alles andere sei eine "böswillige Hineininterpretierung".
Das Urteil von Richter Schaffranek: Sigrid S. hat sich der Volksverhetzung schuldig gemacht und muss 150 Tagesätze bezahlen. Die Höhe des Tagessatzes betrage nur 15 Euro, da sie mit ihren Kindern von "Zuwendungen aus öffentlicher Hand" lebe.
Sigrid S. hält ihre Facebook-Gemeinde fast täglich über sich auf dem Laufenden. Geradezu stolz verkündete sie vor einigen Wochen, dass mehrere Strafverfahren gegen sie anhängig seien und sie auf "Kadi-Tour" gehen werde. Ihr erster Gerichtstermin fand Anfang Februar in Köln statt, wo sie wegen Beschimpfung von Religionsgemeinschaften angeklagt war. Sie wurde freigesprochen und feierte den Sieg im Netz. Ihre Anhänger waren begeistert: "Zeigen Sie den Linksfaschisten, wo der Hammer hängt." Über die Verurteilung in Bamberg hat sie sich (bis gestern jedenfalls) ausgeschwiegen.