Dient die Krise als Deckmantel?
Autor: Sebastian Schanz
Bamberg, Sonntag, 12. Januar 2020
Nutzen Bamberger Unternehmen aus der Autoindustrie das Erdbeben in der Branche, um Stellen abzubauen, ohne sich Kritik auszusetzen? Diesen Verdacht äußern Gewerkschaften. Betroffene Unternehmen weisen die Vorwürfe zurück.
An einem tristen Wintertag steht Roman Hermann vor seiner Arbeitsstätte, dem Michelin-Werk in Hallstadt, um mit hunderten Kollegen dafür zu demonstrieren, auch weiterhin hier arbeiten zu dürfen. "Wir wehren uns!", steht auf dem Transparent über seinem Kopf. Die Stimmung ist so mies wie das Wetter. Trillerpfeifen und eine Totenglocke sind zu hören. Und Vorwürfe.
"Bei Michelin ist das für mich ein abgekartetes Spiel", kritisiert Hermann. So wie er sehen das viele seiner Kollegen. In diesen Tagen laufen die Verhandlungen zu Sozialplan und Interessenausgleich zwischen Michelin und Betriebsrat an, wie das Unternehmen berichtet.
"Unser Anliegen ist es, sobald wie möglich Klarheit für unsere Mitarbeiter bezüglich der Unterstützungsmaßnahmen zu erhalten", erklärt eine Firmensprecherin. "Wir pochen weiterhin darauf, dass die im Tarifvertrag festgesetzte Standortgarantie des Werks bis Ende 2022 eingehalten wird", kündigt Betriebsratsvorsitzender Josef Morgenroth an.
Hiobsbotschaften mehren sich
Krisenstimmung herrscht nicht nur bei Michelin. Brose hat angekündigt, 2000 Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen, davon nach Informationen des Landkreises und der Stadt 400 in Bamberg und Hallstadt. Bei Bosch macht immerhin ein Standortsicherungsvertrag bis 2026 Hoffnung, dafür üben sich die Mitarbeiter aber in Verzicht. Schaeffler plant einen großen Stellenabbau, Hirschaid ist davon offenbar nur am Rande betroffen.
Es sind die großen Namen, die in der Krise der Automobilindustrie die Schlagzeilen bestimmen.
Zweifel werden laut
Doch ist wirklich alles der Krise geschuldet? Nicht nur vor dem Michelin-Werk werden Zweifel laut. "Ich habe das Empfinden, dass als Michelin die Werkschließung bekanntgegeben hat, andere Firmen auf den Zug aufgesprungen sind", sagt Mitarbeiter Hermann.
Unterstützung erhält er von Matthias Gebhardt, Sprecher der IG Metall Bamberg: "Man hat wirklich den Eindruck, dass Firmen, die jetzt einen satten Umsatzeinbruch haben, auf den fahrenden Zug aufspringen, und sich die Krise zunutze machen, um Stellen abzubauen." Diesel-Spezialist Bosch nimmt der IG-Metaller in der Region Bamberg explizit in Schutz, aber als Beispiele nennt er etwa Schaeffler, Brose, aber auch Michelin. "Hier wurde die Gunst der Stunde genutzt."