Die "verrückten" Zugspitzradler von Bamberg
Autor: Redaktion.
Bamberg, Freitag, 01. August 2014
340 Kilometer auf dem Rennrad und dann auf Deutschlands höchsten Berg? Michael Wehner und Thomas Lauterbach wollten wissen, ob eine "Zugspitzbegehung" auch von Franken aus möglich ist. Ihre Antwort fällt eindeutig aus.
Wer in Grainau steht und nach Süden blickt, kommt nur allzu leicht ins Schwärmen. Eine Riesenmauer aus grauem Kalk ragt hier in die Höhe, 2962 Meter über dem Meer, 2300 Meter über dem Garmischer Becken - die Zugspitze. In Deutschland gibt's nichts Höheres und deshalb zieht sie jährlich Tausende in ihren Bann.
Die meisten kommen mit dem Auto und fahren dann mit der Seilbahn gemütlich auf den Gipfel. Viele kämpfen sich auf einer zweitägigen Bergtour in die Höhe. Doch ist es möglich, sie auch von Franken aus nur mit eigener Muskelkraft zu erklimmen, gar aus dem 340 Kilometer entfernten Bamberg?
Eine Antwort auf diese Frage haben vor kurzem zwei Sportler auf ihre Weise gegeben, jeder im Alleingang und, man muss sagen, auf die harte Tour: Michael Wehner (52) und Thomas Lauterbach (43). Sie stiegen zu Hause in Bischberg und in Bamberg aufs Rennrad und nach zwölfeinhalb Stunden wieder ab, um im Anschluss den Beinahe-Dreitausender in Angriff zu nehmen.
Kraftakt? Strapaze? Oder einfach die Tour zweier "Verrückter", wie Bekannte mutmaßten, als sie davon hörten? Eher der Erfolg jahrelangen Trainingsfleißes und guter Vorbereitung. Wehner, der an den meisten Tagen des Jahres für die Leser des Fränkischen Tags gewissermaßen am Bildschirm in die Haken tritt, hat die Frage schon lange beschäftigt, ob man den höchsten Berg Deutschland von Bamberg "by fair means", das heißt ohne Zuhilfenahme motorischer Hilfsmittel in kurzer Zeit erreichen könnte.
Leidensfähigkeit der Zugspitzenradler
Natürlich hat ein solches Sommerabenteuer seinen Preis: "Die Hitze und der Verkehr haben mir am meisten zu schaffen gemacht. Nach 170 Kilometer beginnt man zu rechnen. Die Hälfte der Strecke liegt dann aber noch vor einem", sagt Wehner.
Dass zu den Kraft in den Beinen und zu den Riegeln im Gepäck vor allem Leidensfähigkeit kommen muss, wen wundert es - bei dieser Strecke? Die kürzeste Verbindung von Bamberg nach Garmisch-Partenkirchen führte mitten durch den Ballungsraum Nürnberg. Nach den langen Hügel der Fränkischen Alb passierte der Zugspitzradler bei Kilometer 165 die Donau. Dann das Lechfeld mit seinen schattenlosen Maisfeldern, die endlosen Vorortstraßen von Augsburg, bis hinter Landsberg das Alpenvorland winkte - und die Stimmung stieg.
Ähnlich erging es dem Bamberger Thomas Lauterbach, seit vielen Jahren leidenschaftlicher Biker, Läufer. Die Zugspitze von Bamberg? Als Lauterbach beim Silvesterlauf im Hain von Wehners Idee erfuhr, war er sofort infiziert - und versuchte den Gipfelsturm vor kurzem auf seine, wie er sagt, "puristische" Weise. Mit drei kopierten Landkarten machte er sich nur wenige Tage nach Wehner ebenfalls auf den Weg zur Zugspitze. Punkt Mitternacht startete Lauterbach in Bamberg. Von der Fahrt durch die Dunkelheit ist er immer noch angetan: "Die Nacht war wunderbar. Es ist still und man ist ganz auf seinen Lichtkegel konzentriert", sagt der Langstreckenradler. Freilich wich die Euphorie schon bald einer gewissen Ernüchterung. Denn ohne Navigationssystem fällt die Orientierung in der Fremde mitunter schwer. "Man verfranzt sich und verliert wertvolle Zeit."
Mehr oder minder erschöpft, mehr oder minder euphorisch erreichten beide ihr erstes Etappenziel in Garmisch-Partenkirchen. Lauterbach lief noch am Nachmittag ins Reintal und kämpfte sich bis zur auf 2000 Metern gelegenen Knorrhütte vor. Anderntags erklomm er über das Zugspitzplatt den Gipfel.
In die Westflanke der Zugspitze
Wehner kraxelte nach einer kurzen Nacht gemeinsam mit seinem Sohn Johannes vom Eibsee in die Westflanke der Zugspitze - mit 2000 Höhenmetern die kürzeste Route auf den höchsten deutschen Berg.
Gemessen am Radfahren gestaltete sich der Gipfelsturm schmerzlos. Schnell war die Wiener-Neustädter Hütte auf 2200 Metern Höhe erreicht und der Einstieg in einen langen, aber nicht schweren Klettersteig. Die noch vor Tagen befürchteten Eisreste erwiesen sich als harmlos, und so waren die beiden Bamberger flott unterwegs und überholen viele, die sich durch die mit Leitern gespickte Wand quälten. Am Grat dann, nach 16,5 Stunden Fahrt- und Gehzeit von Bamberg, wartete das Zugspitzerlebnis, das jeden Bergsteiger ins Mark trifft. Die wilde Natur wird vom Beton der Gipfelplattform, die Stille vom Touristengetriebe abgelöst. "Deutschlands höchster Berg ist Deutschlands höchster Rummelplatz."
Was bleibt vom Bamberger Zugspitzrennen?
Ein unvergessliches Erlebnis, aber auch die Lust auf mehr. Thomas Lauterbach will demnächst noch einmal nachlegen, um die Zugspitze von Bamberg in einem Kalendertag zu erklimmen. Dafür sucht er noch Mitstreiter (0170/8111359). Michael Wehner denkt bereits über eine "fränkischen Viertausender" in der Rhön nach, also eine 4000-Höhenmeter-Rennradrunde. Ersatzweise könnte es auch eine Doppelbesteigung der Zugspitze von zwei Seiten an einem Tag sein. Glaubt man Wehner, macht das alpinistisch Sinn. "Jeder Anstieg auf die Zugspitze hat seinen unverwechselbaren Reiz. Wer alles sehen will, muss zwei Mal gehen."