Die Selbstversorger-Stadt
Autor: Günter Flegel
Haßfurt, Mittwoch, 12. Sept. 2018
Das Stadtwerk Haßfurt baut ein neues kleines Kraftwerk. Die Maschine könnte Großes bewirken: Sie soll Forschern und Technikern zeigen, wie man Windstrom in einer Wasserstoff-"Batterie" speichern kann.
Liegt der Schlüssel für das Gelingen der Energiewende in Haßfurt? Diese Meinung vertritt nicht nur der Stadtwerk-Geschäftsführer Norbert Zösch. Renommierte Energie-Forscher bescheinigen dem Unternehmen in der Kreisstadt, bereits so weit zu sein, wie es das ganze Land gerne wäre.
"Das neue Projekt in Haßfurt kann zu einer Blaupause für die Energiewende werden. Es ist ein Reallabor für die Forschung wie für die praktische Erprobung gleichermaßen." Das Lob kommt von Markus Brautsch, Leiter des Instituts für Energietechnik (IFE) an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden. Der Energie-Professor betreut ein Projekt in Haßfurt, das zwei wichtige Probleme der Energiewende lösen soll: Wohin mit dem Strom, wenn Wind und Sonne viel mehr liefern als gebraucht wird? Und woher den Strom nehmen, wenn es dunkel und windstill ist?
Die Lücken schließen
Die Antwort steckt in unscheinbaren Containern, die am Haßfurter Hafen stehen. Der erste ist bereits in Betrieb, der zweite ist im fortgeschrittenen Planungsstadium: Der erste Container verwandelt Strom aus dem Windpark im Sailershäuser Wald und Solaranlagen im Stadtgebiet in Wasserstoff (Power to Gas).
Das brennbare Wasserstoffgas wird in einem Tank gespeichert und ins Erdgasnetz der Stadt eingespeist. Container Nummer zwei soll diesen Zwischenschritt überspringen: Das Stadtwerk plant ein Kraftwerk, in dem aus dem Wasserstoff wieder Strom und Wärme gewonnen wird.
"Damit können wir die Versorgungslücken überbrücken, die bei der Dunkelflaute entstehen, also dann, wenn keine Sonne scheint und kaum Wind weht", sagt Zösch. Im letzten Jahr produzierte alleine der Windpark Sailershausen, in dem zehn Windräder stehen, 55 Millionen Kilowattstunden Strom. Zösch: "Das ist doppelt so viel, wie im Versorgungsgebiet des Stadtwerks verbraucht wird."
Immer noch "Atomstrom"
Dass im Energiemix des Stadtwerks trotzdem "nur" 50 Prozent Öko-Strom fließen, liegt daran, dass sich der Stromverbrauch und die Erzeugung mittels Wind und Sonne nicht synchronisieren lassen wie bei herkömmlichen Kraftwerken, die je nach Bedarf hochgefahren oder abgeregelt werden können.
Deswegen finden sich im Haßfurter Stromnetz nach wie vor noch "Atomstrom" (2016: 19 Prozent) und "Kohlestrom" (23 Prozent), weil die konventionellen Großkraftwerke die Lücken schließen müssen.