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Die neue Bücherei in Stegaurach kann mehr


Autor: Hans Kurz

Stegaurach, Mittwoch, 16. April 2014

Während der Neubau in Stegaurach immer klarere Konturen annimmt, zeigt das Büchereiteam um Cornelia Kempgen eindrucksvoll, was die Einrichtung für das gesellschaftliche Leben in der Gemeinde leisten kann.
Beim Richtfest ließ sich schon gut erkennen, was für ein Schmuckkästchen für Stegaurach die neue Bücherei werden kann. Fotos: Hans Kurz


Eine Bücherei ist viel mehr als ein Supermarkt mit Regalen voller Medien. "Die Bücherei der Zukunft wir zu 50 Prozent ein Treffpunkt für die Menschen sein", ist Cornelia Kempgen überzeugt. Die Leiterin der Stegauracher Bücherei freut sich, dass dieser Treffpunkt nun endlich konkrete Formen annimmt. Vor wenigen Tagen wurde das Richtfest für den Neubau gefeiert.

Der ellipsenförmige Hauptraum - entworfen von Architekt Sandro Selig - soll also nicht als bloßer Stauraum für Bücher fungieren. In der Mitte wird viel Platz sein, um Literatur lebendig und erlebbar zu machen. Für die Kinder von der Schule gleich nebenan, aber auch für Erwachsene.

Wie eine Bücherei das kulturellen und gesellschaftliche Leben einer Gemeinde bereichern kann, das haben die Stegauracher wenige Wochen zuvor gezeigt.

Im Bürgersaal waren an die 200 Menschen begeistert, als 38 junge Orchestermusiker der Kreismusikschule und 32 Stegauracher Schüler - von der zweiten Grundschulklasse bis zur zehnten Klasse die Bremer Stadtmusikanten als Bilderbuchkino in der Version von Janosch aufführten.

Zu Hause in 17 Sprachen

Hier wurden natürlich die Stegauracher Stadtmusikanten draus. Und die hatten etwas ganz Besonderes zu bieten: Sie erzählten die Geschichte in 17 verschiedenen Sprachen - und alle haben es und sich gut ausgezeichnet verstanden.

"Die Idee hatte ich, als ich auf der Leipziger Buchmesse diese vielsprachigen Janosch-Bücher gesehen habe und in der Bücherei bei der Ausleihe für die Schule gleichzeitig immer wieder auf Kinder traf, die eine zweite Sprache im Hintergrund hatten", erzählt Cornelia Kempgen. "Mir ist aufgefallen, dass viele Kinder ein ausländisches Elternteil haben, oft aber diese Sprache gar nicht viel mit ihnen geübt wird. Oder sie diese sogar verstecken. Mitschüler waren teilweise erstaunt, dass ihre Klassenkameraden noch eine andere Sprache sprechen." Das sei doch ein Schatz, den es zu bewahren, und eine kulturelle Bereicherung, die es zu pflegen gelte: Albanisch, Deutsch, Englisch, Fränkisch, Französisch, Griechisch, Holländisch, Italienisch, Kroatisch, Persisch, Polnisch, Romanes - die Sprache der Sinti -, Russisch, Spanisch, Thailändisch, Türkisch und Ukrainisch - Das ist der Sprachschatz der Stegauracher Schüler. Und das meinen einige von ihnen selbst vor ihrem Auftritt als Stegauracher Stadtmusikanten:

Fränkische Fallstricke

Dardan aus der zweiten Klasse, der Albanisch liest, hat vor der Aufführung ein bisschen Lampenfieber, denn: "Unsere Tanten sind gerade aus dem Kosovo zu Besuch. Hoffentlich mache ich alles richtig, wenn die zuhören." Ruhiger ist da schon Jolina, die ebenfalls in die zweite Klasse und Holländisch kann, weil ihre Großmutter aus den Niederlanden stammt. "Ich habe jeden Morgen mit meiner Oma geübt, damit ich auch alles richtig ausspreche", berichtet sie. Drittklässler Efe sieht ebenfalls kein Problem. "Wir sprechen zuhause auch oft Türkisch. Das ist für mich leicht", meint er. "Hoffentlich spreche ich alles richtig aus", bangt dagegen sein fränkischer Klassenkamerad Lukas, denn reden ist einfach aber "Fränkisch kann man so schlecht vorlesen".

Wie man es trotz einer fremden Schrift machen kann verrät Alina aus der Vierten: "Ich kann die kyrillischen Buchstaben nicht lesen. Aber meine Mama hat mir alles aufgeschrieben, wie ich es vorlesen muss. Und auch Zweitklässler Jannis, der erst am Morgen der Vorstellung noch dazu gekommen ist, hat noch Nachhilfe genommen. "Ich habe mit meiner Schwester geübt. Jetzt kann ich das Griechische auch lesen", ist er erleichtert. Dass es nicht nur aufs lesen können ankommt weiß Siebtklässler David: "Polnisch spricht man so schnell. Das ist keine langsame Sprache." Und bei all den fremden Sprachen war auch Cedric aus der Fünften stolz etwas beitragen zu können. "Meine Mutter ist Österreicherin", berichtet er und stellt fest: "Das ist auch ganz anders, als wir hier sprechen."

Dass diese Sprachenvielfalt keine Barriere ist, erfreut auch die Rektorin der Grund- und Mittelschule Altenburgblick. "Das war eine so gute Idee, in den Mittelpunkt zu stellen, dass das nicht lästig ist, wenn Kinder mit Zweitsprachen in unsere Schule gehen, sondern für alle eine Bereicherung ist", stellt Claudia Christel fest.

"Superschön", "hat sehr gut gefallen", "gigantisch", "toll", "kaum zu toppen" fanden es schließlich die Zuhörer. Und Cornelia Kempgen berichtet, dass bei den Familien der Partner, der die zweite Sprache eingebracht hat, oft besonders begeistert war und viele mit Köstlichkeiten aus den verschiedenen Ländern zum Gelingen des Nachmittags beigetragen haben.

Vorspielen mal anders

Und die Kreismusikschüler, hatten ebenfalls was von dem Projekt. Mit ihren Instrumenten durften auch mal miauen oder schmatzen durften. "Das ist mal ein anderes Vorspielen für die Eltern und Großeltern", meint eine der jungen Musikerinnen.

Eine Bücherei ist eben nicht nur ein Gebäude, in dem Bücher aufbewahrt werden. An diesem Nachmittag sie die Einwohner der Gemeinde mit ihrem vielfältigen kulturellen Hintergrund zusammengebracht. Das kulturelle Schatzkästchen, das gleich nebenan im entstehen ist, hat dabei sicher neue Freunde gewonnen - junge und alte.