Zwei Bamberger Dekorateure räumen am Samstag wieder einmal ihr Lager. Das ist Anlass für Jürgen Möller, über Entwicklungen im Einzelhandel zu sprechen.
Der rote Nussknacker hat schon so einiges in seinem Leben gesehen. Einmal stand er in der Adventszeit im Schaufenster eines Optikers, ein anderes Mal diente er einer Apotheke. Er weiß aber nicht mehr, für welches Medikament er wochenlang in der Vitrine herumstehen musste. Wieder ein anderes Mal hat er für Mode Werbung gemacht, obwohl er sich persönlich gar nichts aus modischem Schnickschnack macht und mit seiner roten Uniform vollauf zufrieden ist.
Am Samstag wird er voraussichtlich wieder einmal den Standort wechseln: Nämlich dann, wenn die Bamberger Dekorateure Jürgen und Oliver Möller alles (zum kleinen Preis) verhökern, was sie nicht mehr an Material brauchen. Sie ziehen in Kürze mit Werkstatt und Lager nach Pödeldorf um, und müssen deshalb ihre Halle in Hof des Anwesens Coburger Straße 41 räumen.
Vor drei Jahren haben Vater und Sohn schon einmal mit einem Flohmarkt Luft und Platz geschaffen. Seitdem fragen Freunde kunterbunter Kuriositäten immer wieder nach, wann es wieder einmal Gelegenheit zu einem solchen Einkauf gibt. Die Antwort: am 20. Oktober von 9 bis 13 Uhr.
Kois für Perlen und Smaragde
Einen neuen Besitzer suchen zum Beispiel Vasen, Kunstblumen, Gemüse, Weihnachtspyramiden und -gestecke, große Nikoläuse, die in Halbmonden sitzen, Schwimmbrillen und Flossen, Bilderrahmen, Bastelbedarf aller Art, farbige Büsten, goldene Frösche, Schneemänner aus Styropor, aber auch ein zweiteiliges "Aquarium". Das Schaustück mit den "wertvollen" Kois aus Plastik diente einst echt wertvollen Schmuckstücken als Kulisse: Ein Juwelier in der Innerstadt präsentierte Perlen und Smaragde in dieser Dekoration. Jürgen Möller preist das "Aquarium" in den höchsten Tönen: "So was kriegst Du in keinem Laden."
Ein echtes Schaustück ist auch der "Farbfernseher" aus Pappe mit Leuchtantenne. Zusammen mit einem bunten "Testbild" und dem Schild mit der Aufschrift "Wir bringen Farbe in ihr Leben" war es rund um den 45. Geburtstag des deutschen Farbfernsehens für verschiedene Branchen geeignet.
"Flurbereinigung"
Für Dekorateure wie Jürgen Möller und seinen Sohn ist das Geschäft in den vergangenen Jahren nicht gerade leichter geworden. Mit der "Flurbereinigung im Einzelhandel" zugunsten der großen Filialisten und zulasten der kleineren Inhaber-geführten Geschäfte schrumpfte auch die Zahl ihrer Kunden, weil die großen Handelskonzerne ihre Dekorationen in zentralen Marketing-Abteilungen entwerfen und herstellen. So kommt es auch zu der von Möller bedauerten "verordneten Langeweile", die jeder Stadt die gleichen Läden beschert - und die gleichen Schaufensterdekorationen.
Doppelstrategie
Sein Familienbetrieb reagierte mit einer Doppelstrategie: Zum einen haben er und sein Sohn in den letzten Jahren ihren Aktionsradius über Bamberg hinaus stark ausgedehnt. Sie fahren zu Kunden bis nach Schweinfurt, Würzburg, Kulmbach, Kronach und Ebermannstadt. Zum anderen wollen sie mit kreativen Lösungen überzeugen. Ihre Kunden sollen sich durch individuelle, phantasievolle Dekorationen von den Mitbewerbern abheben können.
Jürgen Möller ist sich schon klar darüber, dass angesichts der immens gestiegenen Ladenmieten in den I-A-Lagen nur doch die großen Filialisten in den Fußgängerzonen vertreten sein können, und er findet es auch wichtig, dass es in einer Stadt möglichst wenige Leerstände gibt.
Besser aber, nämlich bunter und kreativer, ist nach seinem Geschmack das optische Erscheinungsbild der Geschäfte in den Eins-B-Lagen abseits der Hauptmeilen. Für Bamberg nennt er als Beispiele die Austraße, die Keßler- und die Kleberstraße, wo in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten intereressante kleine Läden und gemütliche Cafés entstanden sind.
Gesundheitsbranche vorn dabei
Es sind die Inhaber solcher Geschäfte, die die Dienste phantasievoller Dekorateure zu schätzen zu wissen. Möllers Hauptkunden sind deswegen kleinere Modegeschäfte, Parfümerien, Optiker, Läden für "Ehehygiene" sowie Apotheken. Letztere können sich durch die von ihnen verkauften Produkte von der Konkurrenz nicht groß unterscheiden. Wer sich abheben will, muss also auf eine originelle Schaufensterdekoration setzen.
Überhaupt die Gesundheitsbranche: Selbst Hilfsmittel für Kranke und Behinderte kann ein geschickter Dekorateur so wirkungsvoll in Szene setzen, dass der Betrachter vor dem Schaufenster ins Schmunzeln gerät, weil dem ernsten Thema die Schwere genommen worden ist.
Phantasievoll und kreativ, künstlerisch talentiert, handwerklich begabt, lebensbejahend und offen: Das sind die wichtigsten Eigenschaften für einen Dekorateur, sagt Jürgen Möller.
"Man muss halt mit offenen Augen durch das Leben gehen, um ein Gespür zu entwickeln und um schließlich zu wissen, was die Einzelhändler und ihre Kunden wollen." Sein Sohn hat diese Anlagen geerbt - nicht nur vom Vater selbst, sondern auch von seiner Mutter Christa Möller, die als Malerin regional erfolgreich ist.
Die Möllers haben im Raum Bamberg nicht mehr viele Kollegen. Das Handwerk des Dekorateurs im kleinen Familienbetrieb ist im Aussterben begriffen. Platz auf dem Markt ist nur noch für wenige Spezialisten. Doch die Möllers sind keine Leute, die jammern, sondern die sich auf ihr Können verlassen und den eigenen Optimismus auf andere übertragen.
Pessimismus halten sie auch beim Einzelhandel selbst nicht für zielführend. "Heute wird viel gejammert", ist die Erfahrung von Vater und Sohn. "Aber wer sich Mühe gibt und etwas für seinen Erfolg tut, der kann und wird ihn auch haben."