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Die Lisberger Linde bleibt stehen


Autor: Sabine Christofzik

Lisberg, Mittwoch, 16. Dezember 2009

Das Feuer am 8. Mai hat das Naturdenkmal nicht so zerstört, dass es gefällt werden müsste. Viele der hitzegeschädigten Zweige haben neu ausgetrieben.
Hoffnungszeichen in der Holzkohle: Auch am Fuß der Linde sprießt frisches Grün.  Fotos: Ronald Rinklef


Unter Beobachtung steht sie weiter, doch die Gefahr ist gebannt: Die Lisberger Linde soll irgendwann einmal eines natürlichen Todes sterben dürfen. So, wie es wohl auch gewesen wäre, wenn am 8. Mai kein Feuer in ihrem hohlen Stamm gelodert hätte. Ist sie stabil genug? Treibt sie wieder aus? Diese Fragen standen wie eine dunkle Wolke über dem Naturdenkmal.

Stabilität hatte ihr schon kurz nach dem Brand ein Baumfachmann bescheinigt. Dass sie noch in der Lage ist, sich zu regenerieren, haben die vergangenen sechs Wochen gezeigt, die der Linde gewissermaßen als "Frist" eingeräumt wurden.

Die von der Hitze versengten Teile der Krone heben sich immer noch deutlich von der sattgrünen Umgebung ab, doch an einigen Spitzen der dürren Zweige sprießt es zart.



"Auch wenn er nicht ganz in dem Umfang neu ausgetrieben hat, wie es wünschenswert wäre, zeigt sich, dass jede Menge Leben in dem Jahrhunderte alten Baum steckt", sagt Klaus Then von der Naturschutzbehörde am Landratsamt. Er hat die Lisberger Linde in dieser Woche noch einmal begutachtet.


Es dauert seine Zeit

"Man kann es in etwa mit einer Brandverletzung der menschlichen Haut vergleichen", sagt er. "Die Hitze zerstört Zellen und es dauert einige Zeit, bis sich dort, wo es möglich ist, neue bilden". Deshalb ist er zuversichtlich, dass die hitzegeschädigten Teile der Linden-Krone sich im nächsten Jahr erholt haben werden.

Einen beklagenswerten Anblick bietet der untere Teil des Stamms. Noch immer riecht es in der Nähe des Baumes stark nach verkohltem Holz. Doch es war hauptsächlich totes Material, das vor acht Wochen den Flammen zum Opfer gefallen ist. Die Feuerwehren waren rechtzeitig vor Ort.

Völlig isoliert steht jetzt der jüngste Teil des Baumes. Er hatte sich nach einem Blitzschlag vor vielen Jahren aus einer sogenannten Adventiv-Wurzel gebildet. Linden sind Überlebenskünstler. Sie können zwar fehlende "Glieder" ihres "Körpers" nicht komplett nachwachsen lassen, aber mit ihrer ungeheuren Regenerationsfähigkeit dafür sorgen, dass sich an anderer Stelle Ersatz bildet.

Dass die Linde noch steht, ist ein statisches Wunder. Sie ist deutlich nach Westen geneigt - somit allerdings zur "richtigen" Seite hin: Stürme können ihr nichts anhaben. "Ein Geniestreich der Natur; aus Beton könnte man sowas gar nicht bauen", meint Klaus Then.


"Erhaltungswürdig"

"Prinzipiell ist davon auszugehen, dass die Linde auch nach dem Schaden noch langfristig erhalten werden kann und als erhaltungswürdig einzustufen ist", zitiert er die Kernaussage des Gutachtens der Firma aus Lauf. "Und so ist auch die Stimmung in der Bevölkerung: Die Leute wollen, dass der Baum am Leben bleibt, denn er ist ein Wahrzeichen des Ortes".

Gut für die brandgeschädigte Linde ist ihr einsam gelegener Standort auf einer Anhöhe. Stünde sie mitten im Dorf, sähe die Sache möglicherweise anders aus.

Das Gewicht der Äste und der Blätter lässt gewaltige Kräfte auf den schrägen Stamm wirken. Der Schiefstand hat jedoch nichts mit dem Brand zu tun; dennoch raten die Fachleute dazu, die Linde leichter zu machen. Wahrscheinlich wird ein Kronen-Entlastungsschnitt vorgenommen. "Aber nicht im Sommer", so Klaus Then.

Die Krone zu entlasten heißt allerdings nicht, nur hier und da ein paar Ästchen abzuknipsen. Um den Baum von einigen Tonnen Ballast zu befreien, müssen dann auch tragende "Arme" gekürzt werden.
Schlimmer wäre es gewesen, wenn man die Säge am Stamm hätte ansetzen müssen...