Die langen Arme des Staates
Autor: Günter Flegel
Bamberg, Mittwoch, 28. August 2013
Geheimdienste und Online-Kaufhäuser wollen dem Bürger so viele Informationen wie möglich entlocken. Der Staat macht es nicht anders. Aus dem Standesamt wird still und leise eine zentrale Datenbank.
ZEPR: Nein, hinter diesem Kürzel versteckt sich kein Geheimdienst, der die Bürger ausspäht, E-Mails liest und Telefone anzapft. Darüber würde man sich aufregen. Nicht aber über das Zentrale Elektronische Personenstandsregister. Das klingt kompliziert und überdies, weil hoheitlich, von vorneherein unverdächtig.
Ist es aber ich nicht. "Ich habe keine Ahnung, was mit den Daten passiert, wer darauf Zugriff hat und welche Verknüpfungen mit anderen Datenbanken es möglicherweise gibt." Das sagt ein altgedienter Standesbeamter, der sich mit seinem staatlichen Dienstherrn wenige Jahre vor dem Ruhestand nicht anlegen und deshalb ungenannt bleiben will. Er hat "mehr als ein ungutes Gefühl" dabei, die persönlichen Daten der Bürger, die seit dem Ende des 19.
Nützlich und sparsam?
Altmodisch? Der Staat, der die Neuordnung der Standesämter 2009 weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit auf den Weg gebracht hat, verspricht sich mehr Effizienz, einheitliche Standards und mehr Nutzen für den Bürger, weniger Aufwand und weniger Kosten.
Zwar wird die Einführung des ZEPR an allen 1300 Standesämtern in Bayern erst einmal zehn Millionen Euro kosten; weil aber weniger Papier gebraucht und Arbeitszeit gespart wird, verspricht sich das Innenministerium, dass wenigstens die Hälfte dieses Betrages hereingeholt werden kann. "Bei Ausschöpfung aller Sparmöglichkeiten ist die Einführung des zentralen Registers sogar kostenneutral möglich", steht in dem Gesetzentwurf, den der Ministerrat am 19. Juli 2011 abgesegnet hat.
Der Freistaat, der sonst gar nicht gerne auf Berlin hört, setzte mit diesem Beschluss als erstes Bundesland noch vor dem Stichtag ein Bundesgesetz um, das die zentrale elektronische Erfassung der Standesamtsdaten ab 1. Januar 2014 vorschreibt. Ausschließlich zum Nutzen des Bürgers, wie Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verspricht. Ein Beispiel: Wer aus Bamberg nach Starnberg zieht und Daten aus der Heimat braucht, muss nicht mehr umständlich Abschriften anfordern. Jedes Standesamt kann von jedem anderen Standesamt Datensätze abrufen.
Abschrift per Knopfdruck
Auf Knopfdruck, schnell, einfach und billig. Bürgerfreundlich. Doch alleine der praktische Nutzen der virtuellen Stammbücher ist begrenzt. An eine Digitalisierung alter Datenbestände ist aus Kostengründen nicht zu denken. Die Papier- und die digitale Welt werden also noch lange parallel existieren.
"Effektiv Kosten sparen kann man nur, wenn man Standesämter auflöst", sagt der Praktiker. Das passiert bereits. Die Fusion von Standesämtern schafft in Frankens ländlichen Regionen aber wohl nicht mehr, sondern eher weniger Bürgernähe.
Und vor allem weniger Kontrolle. Das "Personenstandsbuch" hat seinen Platz im Rathaus, eine einzige Sicherheitskopie ist im Landratsamt abgelegt. Elektronisch gespeicherte Daten dagegen lassen sich in Sekundenbruchteilen kopieren, versenden, verknüpfen ...
Das alles ist längst Alltag im Zeitalter des Onlinebankings und des Internetkaufhauses. Viele Menschen gehen überaus sorglos mit ihren persönlichen Daten um, weiß der oberste Datenschützer im Freistaat, Thomas Petri. "Alle Daten, die ein Bürger von sich preisgibt, unterliegen am Ende jeglichem staatlichen Zugriff."
Das war zwar faktisch schon immer so, sagt Petri, allerdings nur mit einem enormen Aufwand. Je größer die Datenbestände werden, desto leichter fällt der Zugriff. "Eher verhungert ein Hund im Metzgerladen, als dass der Staat und die Wirtschaft große Datenbestände unberührt ließen", sagt Petri. "Staat und Wirtschaft werden uns mit der Zeit lückenlos überwachen und nach allen Richtungen katalogisieren können."