Die Kluft zwischen Mann und Frau
Autor: Natalie Schalk
Bamberg, Freitag, 11. Januar 2019
Irgendwo in den Köpfen von Eltern, Chefs und Politikern steckt diese alte Vorstellung: Männer verdienen das Geld. Frauen kümmern sich um die Familie.
Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Heuer wird unser Grundgesetz 70 Jahre alt und genau so lange steht in der Verfassung, dass niemand wegen seines Geschlechts Nachteile erleiden darf. "Gleichstellung ist über deutsche Gesetze bis hin zu EU-Richtlinien festgeschrieben", sagt Harald Rost. Der Soziologe forscht seit über 20 Jahren am ifb: Das Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg ist bundesweit die einzige wissenschaftliche Organisation, die sich ausschließlich der Familienforschung widmet. Dabei geht's viel um Gleichberechtigung, um die Gleichstellung von Mann und Frau. Sie existiert. Auf dem Papier. "Norm und Realität klaffen weit auseinander."
Germanys Next Topmanagerinnen?
Realität ist, dass der Frauenanteil in Führungspositionen nur bei 29 Prozent liegt, fünf Prozent unter dem weltweiten Durchschnitt. Topmodel-Sendungen und Hochzeitsshows prägen weite Teile des Frauenbilds in den Medien. Sichere, bestbezahlte Jobaussichten für die kommenden Jahrzehnte bieten die "Mint"-Berufe: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik - obwohl Deutschland hier nach den USA und Indien das drittwichtigste Land ist, sind nur 16 Prozent unserer "Mint"-Talente weiblich. Das kritisiert der jüngste Global Gender Gap Report, für den das Weltwirtschaftsforum jährlich die Kluft zwischen den Chancen von Männern und Frauen analysiert.
Insgesamt belegt Deutschland für 2018 den 14. von 149 Plätzen. Im Bereich Gesundheit erzielt die Bundesrepublik fast Bestwerte. Wenn es hier eine Benachteiligung gibt, dann trifft diese die Männer: Sie leben im Schnitt drei Jahre weniger. Bei der Bildung gibt es hierzulande kaum einen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Dennoch schafft es Deutschland 2018 im Bereich Wirtschaft nur auf den 36. Platz. Hinter Ländern wie Botswana, Thailand, Ghana und Ruanda.
"Rollenverteilung junges Phänomen"
Frauen übernehmen in Deutschland fast zwei Drittel der unbezahlten Hausarbeit, der Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen. Auszeit, Karriereknick, Teilzeitjob: Für die Familie verzichten viele Frauen auf wirtschaftliche Unabhängigkeit - bis zur geringeren Altersrente.
"In den 1950er Jahren entwickelte sich das Bild vom Mann als Ernährer und der Frau, die sich um Haushalt und Familie kümmert. In den 1960er und 1970er Jahren war ein Mann stolz darauf, dass seine Frau nicht arbeiten musste", sagt Rost. "Diese Rollenverteilung ist ein relativ junges Phänomen: Früher haben Frauen immer gearbeitet." Der stellvertretende Leiter des ifb erklärt, das Geschlechterbild aus der Nachkriegszeit weiche immer mehr auf. "Aber wie verbreitet es noch ist, sieht man deutlich, sobald ein Kind kommt."
Unter den Müttern sind heute in Deutschland 30 Prozent gar nicht erwerbstätig, mehr als zwei Drittel der berufstätigen Mütter arbeiten Teilzeit. Aber nur knapp sechs Prozent der Väter.
Männer haben's auch nicht leicht
Bedeutet für die Papas: 94 Prozent können ihre Kinder fast nie vom Kindergarten oder von der Schule abholen, verpassen viel und leiden heute oft unter diesem schlechten Eltern-Gewissen, das lange nur arbeitende Mütter plagte. "Noch vor ein paar Jahren war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein reines Frauenthema. Das hat sich geändert. Die Erwartungen an die Vaterrolle haben sich geändert", sagt Rost. "Frauen wollen einen engagierten Vater, Männer wollen auch 'was von ihren Kindern haben. Und sie möchten dem Kind etwas bieten." Also die klassische Ernährerrolle gut ausfüllen und viel Zeit für die Familie haben. Das ist nicht leicht.