"Die Gewaltfantasien wurden immer stärker"
Autor: Udo Güldner
Bamberg, Mittwoch, 03. Juli 2019
Ein 19-Jähriger hatte einen Amoklauf an seinen ehemaligen Schulen im Landkreis Bamberg angedroht. Das Landgericht Bamberg schickte ihn in die Psychiatrie.
Im Dezember 2018 kündigte ein 19-jähriger Schüler einen Amoklauf an seinen ehemaligen Schulen im Landkreis Bamberg an. Die Jugendkammer des Landgerichtes Bamberg schickte den jungen Mann nun für mindestens ein halbes Jahr in ein psychiatrisches Krankenhaus. Dort soll er mit Medikamenten und einer Therapie seine Krankheit soweit unter Kontrolle bekommen, dass er für sich und andere keine weitere Gefahr mehr darstellt.
"Ich werde erst alle umbringen und dann mich." "Ich töte die Schüler, die mich verletzt haben." "Ich hasse Menschen. Ich will alle töten." Es sind ungewöhnliche Nachrichten, die Mitte Dezember in dem WhatsApp-Chat einer Selbsthilfegruppe kursieren. Zuerst mitten in der Nacht, später dann am frühen Nachmittag.
Es geht nochmal gut aus
Doch was in anderen Fällen schiefläuft, läuft diesmal alles richtig: Ein aufmerksamer Chat-Teilnehmer aus Idar-Oberstein meldet sich bei der Polizei, eine engagierte Schulpsychologin aus Nürnberg kümmert sich um den einsamen Jungen, der Betroffene selbst hat noch soviel Geistesgegenwart, dass er sich am Ende selbst in die Nervenklinik Bamberg einweist. So wird aus der gewalttätigen Fantasie kein blutiger Ernst.
In dem Sicherungsverfahren erklärt Gabriel H. (Name geändert), er habe das Gefühl gehabt, Hilfe zu brauchen. Deshalb habe er sich an andere gewandt. Von "Dämonen" ist bei dem schüchtern wirkenden Beschuldigten oft die Rede - sie hätten ihn gezwungen. Von Gedanken, die um Gewalt kreisten. Vom in den Bauch schießen oder in den Hals stechen. "Die Gewaltfantasien wurden immer stärker." Er habe "jede Minute" dagegen angekämpft. "Ich wusste nicht mehr weiter. Mein Kopf explodierte." Er habe sich an der Menschheit rächen wollen, damit sein Schmerz weggehe.
Schwere Kindheit
Dass auf der Anklagebank "eher ein Opfer als ein Täter" sitzt, das betont nicht nur Staatsanwalt Martin Barnickel. Denn Gabriel H. hat in seinen jungen Jahren einiges mitgemacht. Schon als Kind wird er, wie die gesamte Familie, vom jähzornigen Vater immer wieder beleidigt und beschimpft, geschlagen und getreten, mitunter sogar eingesperrt.
Als das Kreisjugendamt ihn und seine Schwester zur eigenen Sicherheit aus dem Elternhaus holt und ihn in einem Kinderheim im Landkreis Bamberg unterbringt, wird Gabriel H. als Dreizehnjähriger Opfer eines sexuellen Missbrauchs. Schlimmer als die versuchte Vergewaltigung selbst ist für ihn die Nicht-Bestrafung des Täters. Das Verfahren gegen den inzwischen verstorbenen Erzieher wird eingestellt.
Mobbingopfer an Schulen
Gabriel H. spielt mit dem Gedanken, sich selbst zu töten. "Ich war aber nicht mutig genug." Er bittet seine Mutter, ihn umzubringen.