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Die Anlaufstelle, die Opfern hilft


Autor: Anette Schreiber

Bischberg, Freitag, 12. Februar 2016

Hans Schuster hat über fünf Jahre die Außenstelle des Weißen Rings geleitet. Nun hat er das Ehrenamt an den Bischberger Michael Düthorn weitergegeben.
Jeder kann Opfer werden Symbolfoto: Ronald Rinklef


Bamberg, katholisch, Bischofsstadt - was soll da passieren? Das waren die Überlegungen, bevor sich Hans Schuster entschied, beim Weißen Ring Außenstellen-Leiter zu werden. Nun, fünfeinhalb Jahre und 390 Opferfälle später gibt er das Ehrenamt ab. Die letzten Fälle, vor allem Janina und die Frauen aus dem Chefarztprozess haben ihm gezeigt, dass "das nervlich nicht mehr so geht".

Nach seiner Pensionierung als Grundschulrektor hat ihm Ehefrau Maria geraten, sich im Weißen Ring zu engagieren, dem Verein, der Opfern von Gewaltverbrechen beisteht. Vor 40 Jahren gründeten 17 engagierte Frauen und Männer den Verein. Heute hat er 50 000 Mitgliedern bundesweit. Hauptsitz ist Mainz. Daneben gibt es 420 Außenstellen in der Bundesrepublik, davon acht in Oberfranken, Bamberg (für Stadt und Landkreis) ist eine davon. Die Geschäftsstelle? "Das Wohnzimmer des Außenstellenleiters", so Schuster.

Und der möchte es jetzt wieder für private Zwecke nützen, ebenso wie sein Arbeitszimmer, in dem Weißer-Ring-Unterlagen vor einigen Jahren die Schulunterlagen verdrängt hatten.

So wandern Unterlagen und Aufgaben von Drosendorf westwärts: nach Bischberg zu Michael Düthorn, der Schusters Nachfolger ist. Wobei ihm der Vorgänger weiterhin als Stellvertreter zur Seite steht; zusammen mit einem Team aus weiteren zwölf ehrenamtlichen Mitarbeitern. Insgesamt hat der gemeinnützige Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten e.V. - so der komplette Name - in der Stadt Bamberg 70 Mitglieder und im Landkreis 75. Mit ihrem monatlichen Mitglieds-Mindestbeitrag von 2,50 Euro finanzieren sie die Arbeit des Vereins, der ansonsten lediglich Spenden, testamentarische Verfügungen und Zuwendungen über die Justiz (Geldauflagen) erhält.

"Wir helfen auch mit Bargeld", führt Schuster aus. Sein allererster Opferfall, so erinnert sich Schuster, war ein Tourist, der vor dem Fäßla überfallen und ausgeraubt worden war. "Dem halfen wir sofort." Ein schönes Gefühl. Bei der Arbeit im Weißen Ring geht es um Gefühle, um Empathie, die für diese ehrenamtliche Arbeit nötig sind. Manche Fälle nehmen die Ehrenamtlichen jedoch stark mit. "Meine Frau sagt dann immer 'jetzt muss ich mir ein paar Schuhe kaufen'", so Schuster. Er selbst brauche bei solchen Anlässen "ein Bier".

In seinen fünfeinhalb Jahren als Leiter galt es auch Angehörigen von Mordopfern beizustehen. Bei einem der Opfer handelte es sich um einen ehemaligen Schüler. Schüler traf er aber öfter auch bei Gericht, denn der Weiße Ring begleitet Opfer bei einer Vielzahl von schweren Gängen, der zum Gericht gehört dazu. "Wenn mich die Schüler dort trafen - meist wegen Schlägereien - war das dann die doppelte Strafe."

Das Engagement beim Weißen Ring hat Schusters Blick auf die Menschen verändert: "Ich sehe nun nicht in jedem Menschen einen Täter. Aber ich weiß, dass jeder Mensch Opfer werden kann."

Was bleibt am Ende seiner Arbeit? "Die Genugtuung, das Wissen, effektiv helfen zu können." Auch deswegen engagiert Schuster sich weiterhin. Die schweren Fälle kann man nicht einfach so abhaken. Zuletzt Janina, das in der Silvesternacht erschossene Mädchen aus Burgebrach, oder auch der noch andauernde Chefarztprozess. Auch deswegen gibt er die Leitung ab.

Mit einem Festakt im Bischberger Schloss wurde Schuster kürzlich verabschiedet und der selbstständige Unternehmer Michael Düthorn eingeführt - vom Landesvorsitzenden Bayern-Nord des Weißen Rings, Josef Wittmann. Jeder der beiden Herren erhielt Dank, Blumen für die Gattin und jeweils einen neuen Ausweis.


Große Wertschätzung

Wie geschätzt der Weiße Ring bei Gemeinden, Städten, Polizei und Justiz ist, zeigten die hochkarätigen Ehrengäste. Das stellte der stellvertretende Landrat und Bischberger Bürgermeister Johann Pfister in seinem Grußwort ebenso fest wie: "Wenn es den Weißen Ring nicht gäbe, müsste man ihn erfinden." Der Präsident des Landgerichts, Friedrich Krauß, bescheinigte dem Verein sogar "seit Jahrzehnten uneingeschränkte Wertschätzung für menschlichen Beistand, soziale Hilfe und unbürokratische Unterstützung." Er arbeitete auch heraus, dass Opferrechte in den letzten Jahren durch Gesetze gestärkt wurden, ein Aspekt, für den sich insbesondere der Weiße Ring mit Vehemenz einsetzt.

Unter anderem als sehr wertvolle Ansprechpartner bezeichnete Werner Mikulasch, Vizepräsident des Polizeipräsidiums Oberfranken, den Weißen Ring.

Michael Düthorn wiederum bat bei seinem Amtsantritt die Repräsentanten, mit denen der Weiße Ring zusammenarbeitet, um deren Unterstützung.

Die kostenlose Telefonnummer, unter der Opfer von Gewalttaten bundesweit Hilfe finden lautet: 116 006, für den Bereich Bamberg Stadt und Landkreis gibt's ein Notfall-Handy, Nummer 0151/5516 4640. Weitere Infos über den Weißen Ring findet man im Netz unter: www.weisser-ring.de