Druckartikel: Der Wohnhausbrand war ein Suizidversuch

Der Wohnhausbrand war ein Suizidversuch


Autor: Jutta Behr-Groh

Bamberg, Donnerstag, 08. August 2013

In einer existenziellen Krise wollte im März ein Bamberger aus dem Leben scheiden und zündete seine Wohnung an. Die Flammen wurden zum Glück bemerkt und gelöscht. Nun stand der Mann wegen schwerer Brandstiftung vor Gericht.
Das Archivbild zeigt die Löscharbeiten am Morgen des 5. März in der Gaustadter Hauptstraße, dem Tatort der schweren Brandstiftung. Foto: Ronald Rinklef


Fast 49 Jahre ging Peter T. (Name von der Redaktion geändert) straflos durchs Leben. Seit Donnerstag Abend ist der ledige Bamberger vorbestraft wegen schwerer Brandstiftung: Er hat am 5. März 2013 gegen 3.45 Uhr seine Dachgeschosswohnung in seinem Elternhaus im Stadtteil Gaustadt angezündet. T. steckte in einer Krise und sah für sich keinen anderen Ausweg mehr, als aus dem Leben zu scheiden.

Das Schöffengericht des Amtsgerichts musste den Suizidversuch des Mannes und seine Folgen juristisch aufarbeiten. Es wurde ein schwieriges Unterfangen, weil alle Beteiligten einerseits dem Angeklagten die Chance einer Bewährung geben wollten, andererseits zunächst fraglich war, wo er wohnen kann, wenn er den Sitzungssaal auf freiem Fuß verlassen darf.

Denn seine Wohnung in der Gaustadter Hauptstraße ist noch unsaniert.

Außerdem können sich die Mieter des Erdgeschosses nach dem Vorfall im März nicht vorstellen, wieder mit ihm unter einem Dach zu leben. Zu tief sitzt ihnen der Schreck noch in den Knochen.

Ein Passant hatte sie am 5. März kurz vor 4 Uhr aus dem Schlaf geklingelt, weil das Dachgeschoss brannte. Die Mieter versuchten dann ihrerseits den 48-Jährigen zu alarmieren. Im ersten Stock wohnte damals wie heute niemand.

Erst der Feuerwehr gelang es, T. aus seinem Schlafzimmer zu holen. Dass er die Wohnung mit Hilfe von Benzin und Spiritus in Brand gesetzt und sich dann ins Bett gelegt hatte, um zu sterben, ahnten seine Retter nicht.

30 Mann der Freiwilligen Feuerwehr waren im Einsatz. Stadtbrandrat Matthias Moyano sprach seinerzeit von Glück im Unglück, weil die geschlossene Schlafzimmertür den Mann vor einer tödlichen Rauchvergiftung bewahrt hatte.

Der Tod des Vaters im Jahr 2009 muss bei T. eine "depressive Episode" ausgelöst haben. Lebte er vorher schon zurückgezogen, brach er danach seine letzten Kontakte ab.

Selbst erklärte er, die ungelöste Fragen um das Erbe hätten ihn umgetrieben. Am 5. März habe er sich so hineingesteigert, dass er keine andere "Lösung" für sich sah, als aus dem Leben zu scheiden.

Von der "Zuspitzung einer existenziellen Krise" sprach der psychiatrische Gutachter vor Gericht. In deren Folge sei der Mann in der Tatnacht nur eingeschränkt schuldfähig gewesen.
Der Sachverständige hält den ärmlich und älter wirkenden Mann gleichwohl für fähig, mit Unterstützung zurück ins Leben zu finden.

An der nötigen Intelligenz mangelt es ihm nicht: T. hat ein halbes Studium der Betriebswirtschaftslehre absolviert, lernte dann Fachhandelswirt und brachte es bis zum Filialleiter. Zwischen 1999 und 2009 - wann genau, blieb offen - kündigte er seine letzte Stelle und lebte fortan vom Ersparten.

Ob dieser Schritt bereits den Anfang der "depressiven Episode" bedeutete, blieb unbeantwortet im Raum stehen. Wichtiger und entscheidend für das Schöffengericht unter Vorsitz von Marion Aman war die Frage, ob die Strafe gegen T. zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Das Gericht unterbrach die Verhandlung mehrmals, um dem Verteidiger, Rechtsanwalt Thomas Drehsen, Gelegenheit zu geben, auf die Schnelle per Handy und mit Hilfe seines Kanzlei-Teams ein Übernachtungsquartier für seinen Mandanten außerhalb der Justizvollzugsanstalt zu organisieren. Es gelang ihm nur bedingt: Im Notfall kann T. bis Montag in der Sutte, der städtischen Unterkunft für Durchreisende, nächtigen.

Das Schöffengericht akzeptierte diese Notlösung, so dass T. die 14-monatige Strafe, zu der er am frühen Abend verurteilt wurde, nicht verbüßen muss. Er muss aber schon heute der Richterin mitteilen, ob er in der Sutte oder doch noch woanders untergekommen ist.

Außerdem steht er drei Jahre lang unter Bewährung, erhält einen Bewährungshelfer an die Seite, muss eine Betreuung akzeptieren, sich umgehend in fachärztiche Behandlung begeben, 150 Stunden soziale Arbeit leisten, seine Angelegenheiten organisieren und darf vorerst nicht zurück ins Elternhaus ziehen.

Staatsanwalt gegen Bewährung

Staatsanwalt Förster hätte T. lieber in Strafhaft gesehen und warb dafür: "Das ist die saubere Lösung." Er gab zu bedenken, dass dessen Probleme noch nicht ansatzweise gelöst seien.

Einen ersten Schritt hin zu einem normaleren Leben ging der Angeklagte noch im Sitzungssaal: Er entschuldigte sich mit Handschlag bei den Mietern und Verwandten, die der Verhandlung als Zuhörer beiwohnten.