Der Triumph hallt nach
Autor: Gottfried Pelnasch
, Montag, 19. März 2012
Michael Lipperts musikalischer Kreuzweg "Golgatha" in der Erlöserkirche hinterließ bleibende Eindrücke.
Es ist vollbracht. Was folgt, ist Totenstille. Der Menschensohn haucht seine letzten Worte am Kreuz. Schweigen und Dunkelheit erfüllen das (gut gefüllte) Gotteshaus, nur die Andacht des Glockengeläuts dringt wie von weit her ans Ohr - ein Gruß von oben, vertraut, aber selten so eindringlich, bewegend gar wie in diesen Sekunden. Ein Höhepunkt der an emotionalen Momenten eh nicht armen Inszenierung von "Golgatha" in der Erlöserkirche am Kunigundendamm. Um es vorwegzunehmen: Es ist ein Abend, der lange nachhallen wird - und sei es nur aufgrund der Erkenntnis, dass es Wichtigeres gibt als Präsidentenwahlen.
Autor Michael Lippert - Kirchenmusiker an St. Georgen in Bayreuth - nannte sein 2001 uraufgeführtes Werk ursprünglich "Passionsmusical". Inzwischen belässt er es beim Untertitel "musikalischer Kreuzweg". Das ist gut so, denn von einem agilen Guru Marke Jesus Christ Superstar ist hier nichts zu sehen und zu hören - auch wenn Lipperts Motivanleihen bei den ausschweifend-sinnenreichen Kar freitagsprozessionen Andalusiens auch in seinem Oratorium durchaus spektakuläre Momente zeitigen.
Zweihundert Sänger legen los
Und so greift der Komponist, der an diesem Abend selbst die Orgel spielt, in die Vollen: An die zweihundert Sängerinnen und Sänger (Kantatenchor der Erlöserkirche, Chor der Auferstehungskirche, Kirchenchor Lichteneiche und Kantorei St. Georgen Bayreuth in prächtig einstudierter Harmonie) sorgen zusammen mit dem Orchester Sinfonia Bambergensis unter der Leitung von Dekanatskantor Martin Wenzel für eine gewaltige Klangkulisse, die freilich auch die leisen, zarten Töne, das Seelenerlebnis der Passion bewegend ausmalt. Christian Seidel, Bariton am Theater Hof, überzeugt stimmsicher in der Rolle des Christus, als Sprecher beziehungsweise Evangelist sorgt Pfarrer Martin Bachmann von der Kanzel aus für die textlichen Überleitungen.
Den multimedialen Touch kreiert Matthias Lippert, der Bruder des Komponisten, mit geschickter Lichtregie und experimentierfreudigen Videoeinspielungen auf der nackten Ziegelwand über dem Kruzifix. Rätselhafte, teils grausame, unappetitliche Bilder, das Lamm Gottes im Flammenmeer, ein schwabbeliger Kreuzträger mit Brille, dazu Blut, Brot und Silberlinge. Hinter den Fragezeichen, die sich hier auftun, steht vielleicht die Erkenntnis, dass im biblischen Geschehen doch auch stets etwas Geheimnisvolles mitschwingt.
Am Ende mündet die Leidensgeschichte Jesu im himmlischen Triumph - über Jona im Wal, dem alttestamentlichen Propheten österlicher Auferstehung, lenkt das Stück hin zum Halleluja-Jubel des "Christ ist erstanden". Die Ergriffenheit des Publikums wandelt sich in starken Beifall für eine beeindruckende Aufführung. Des solln wir alle froh sein.