Der Traum vom offenen Wohnen
Autor: Andrea Spörlein
Hirschaid, Montag, 27. Juni 2016
Zum 21. Mal veranstaltete die Bayerische Architektenkammer am Wochenende die "Architektouren". Viele Besucher nutzten die Gelegenheit für Stippvisiten.
In ganz Bayern wurden Haustüren, Firmentüren und Gartentüren geöffnet. Bauherren, Planer und Architekten stellten vor Ort ihre Projekte vor und luden die Besucher zum Schauen und Bewundern, aber auch zum kritischen Hinterfragen ein. Im Landkreis und in der Stadt Bamberg waren die Aula der Otto-Friedrich-Universität, die Produktionserweiterung der Firma Kaspar Schulz in Bamberg, ein Privatanwesen in Hirschaid und der Kulturbauernhof in der Schulgasse 2 in Strullendorf ausgewählt worden.
Das Haus der Familie Krischer in Hirschaid lockte trotz hochsommerlicher Temperaturen zahlreiche interessierte Besucher an. Dies auch zu Recht, fühlt man sich doch hier ganz stark an die Bauhaus-Architektur erinnert. Eingebettet in die sonst eher "standardisierte Architektur" in der Straße, sticht es heraus durch seine klaren Formen und Linien und durch das Flachdach.
Kochen, Essen und das Wohnzimmer sind in einem Raum im Erdgeschoss angeordnet, abgegrenzt nur durch den offenen Kamin. Schlafzimmer und Kinderzimmer befinden sich im Obergeschoss. In dieses führt eine zentrale Treppenanlage mit herausragenden Eichenstufen. Die Sichtbetonwand über beide Stockwerke unterstreicht die Vorstellungen der Bauherren über eine klare Formensprache. Dazu gehört auch die Reduzierung der im Inneren verwendeten Materialien auf Beton, Stahl und Eiche sowie die breite Glasfront auf der Gartenseite.
Ganz wichtig war für die Christian und Katja Krischer energiesparend zu bauen. Das Haus mit rund 950 Kubikmeter umbauten Raum verfügt über eine Sole-Wasser-Wärmepumpe und eine Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach. Für ein angenehmes Raumklima sorgt eine kontrollierte Be- und Entlüftung. Alle Räume verfügen über Fußbodenheizung.
Über eineinhalb Jahre hat die vierköpfige Familie sich Gedanken gemacht, Ideen gesammelt und mit den Bamberger Architekten Roland Schmitt und Arne Vogel erfahrene Partner für die Umsetzung ihrer ganz persönlichen Vorstellungen gefunden.
Mit Blick zum Pool
Die Krischers, die nun seit einem Jahr in ihrem neuen Heim leben, konnten sich ihr Traum "vom offenen Wohnen" mit dem Blick zum Pool und in die im Moment noch unbebaute Natur, realisieren. Die moderne Architektur hat sich als alltagstauglich erwiesen, berichtete Katja Krischer. Nicht allen Nachbarn gefiel das Einfamilienhaus mit seinen außergewöhnlichen Formen, aber man hat auch insbesondere von "vielen jüngeren Hirschaidern" großen Zuspruch erhalten.
Das anspruchsvolle Architektur und moderne Produktionsprozesse vereinbar sind, zeigt die neue Produktionshalle der Brauereimaschinenfabrik Kaspar Schulz im Bamberger Norden. Die rund 2000 Quadratmeter große Halle soll der Expansion der Firma und neuen Fertigungstechniken Rechnung tragen. Der Neubau wurde vom Betriebsinhaber Johannes Schulz-Hess selbst, der auch Architekt ist, und seinem Bozener Kollege Christian Rübbert entworfen und umgesetzt.
Johannes Schulz-Hess erläuterte den rund 80 interessierten Besuchern die neue Anlagenmontagehalle. Insbesondere die fast futuristische Außenfassade fand großes Interesse. Den der Baukörper wurde mit präzisen Faltungen der Metallfassaden so gestaltet, dass sie das Edelstahl-Schliffbild der produzierten Anlagen sowie auch die Raute des Firmenlogos aufgreifen. Die Rauten sind alle gleich groß und die Geometrie verläuft über die Ecken des Gebäudes hinaus.
Technik rückt in Hintergrund
Im Inneren ist die neue Halle so reduziert wie möglich gebaut worden. Der klassische Stahlbau mit den massiven Betonriegeln im Eingangsbereich und hin zum Altbestand beschränkt sich in der Farbgebung auf das klassische Weiß und das Grau des Sichtbetons. Die notwendige Technik ist soweit wie möglich in den Hintergrund gestellt worden beziehungsweise in der Erde verschwunden. Keine einzige Maschine ist fest verankert. So sichert man sich eine größtmöglichste Flexibilität im Betriebsablauf. Geheizt wird die Halle mit Wärmeradiatoren an der Hallendecke, die vom betriebseigenen Blockheizkraftwerk gespeist werden. Neben dem Tageslicht sorgen speziell regulierbare LEDs für eine gleichbleibende Belichtung.
Auf die Frage ob der Architekt mit dem Betriebsleiter bei der Planung manchmal in Konflikt geraten ist, antwortete Schulz-Hess, dass er in seiner Situation doch "Komprisse minimieren konnte". Trotzdem blieb schon immer die Frage, "wo hört die Gestaltung auf und wo fängt der Betriebsablauf an". Priorität hatte bei allen Überlegungen immer die Maxime, die "bestmöglichste Arbeitssituation für die Mitarbeiter zu schaffen". Dieselbe Fassadengestaltung soll in einem weiteren Bauabschnitt auf alle Firmengebäude, bis zur Hallstadter Straße, ausgeweitet werden.