Der "Schneckenhannes" aus Hirschaid sammelt Fossilien
Autor: Anna Lienhardt
Hirschaid, Montag, 30. Juni 2014
Johann Schobert aus Hirschaid durchsucht Steinbrüche nach Versteinerungen - seit 20 Jahren. Die Fundstücke des Hobby-Sammlers finden auch in wissenschaftlichen Kreisen Beachtung. Eine Krebsschere wurde sogar nach ihm benannt. Und ein paar Haifischzähne warten schon.
Eigentlich will er seinen Keller nicht auf dem Foto sehen. "Andere Sammler haben schicke Vitrinen, das hier ist nur mein Keller mit Holzregalen", sagt Johann Schobert (57). Aber auf genau diesen Keller sind sie scharf - Professoren, Studenten, Wissenschaftler, Fossiliensammler. Aus aller Welt.
Vitrinen interessieren sie nicht. Sondern das, was Johann Schobert in den vergangenen 20 Jahren gesammelt, frei gekratzt und ins Regal gestellt hat: Seine Versteinerungen. Rund zwei Millionen besitzt der Hirschaider laut eigener Schätzung. Die kleinste ist einen Zehntel Millimeter groß, die größte ein "Plattling" mit einem Durchmesser von 60 Zentimetern.
"Er heißt so, weil er so flach ist", erklärt Schobert, während er seine beiden größten Exemplare aus dem Regal im Eck hievt. Sie sehen leichter aus, als sie sind. "Der größte bekannte aus einer Liasgrube in Franken", sagt Schobert und deutet auf die 60-Zentimeter-Versteinerung. Besonders gut erhalten sei der Plattling, weil er noch über die original Perlmutt-Schale verfüge und ungebrochen sei. Und das bei einem Alter von rund 180 bis 200 Millionen Jahren. So alt sind die Fossilien aus der Gesteinsschicht "Lias", die Schobert sammelt. So auch der Plattling. 2002 hat Schobert ihn aufgespürt, in der Tongrube bei Buttenheim.
"Die Grube hat es in sich", sagt er. Etliche seiner Fundstücke hat er hier gesammelt. Doch angefangen hat seine Sammelleidenschaft in Unterstürmig bei Eggolsheim (Landkreis Forchheim). Mit Sohnemann Andreas hat er damals, 1994, einen Ausflug gemacht. Der kleine Bub hat in der Liasgrube einen Ammoniten gefunden, der "einfach so" auf dem Boden lag.
Zu Hause dann die Begutachtung: "Meine Frau hat gesagt: ,Das ist ein Ammonit', ich habe gesagt: ,Des is doch a Schnecke'", erzählt der Hirschaider. Die Frau hatte Recht - und der Mann den Spitznamen "Schneckenhannes" weg. So haben ihn Bekannte getauft, weil dieser eine Ammonit ihn nicht mehr losgelassen hat - und Johann Schobert auch begann, richtige Schnecken-Versteinerungen zu sammeln.
Eigens für seinen ersten Ammoniten hat er sich ein Fachbuch gekauft. "Ich musste wissen, was das ist, wie alt das ist." Das wollte er von da an bei jedem Fossil, das er gesammelt hat. Sein Revier sind Gruben und Äcker im Bamberger Umland, das meiste findet er zwischen Bamberg und Forchheim.
Im Schnitt ist Schobert zwei bis drei Stunden draußen, länger nicht. "Weil ich mich auskenne und weiß, wonach ich suchen muss." Woher? Weil er viel Fachliteratur liest. Und weil er bald angefangen hat, mit anderen Hobbysammlern und Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten.
Zunächst im Hirschaider Umkreis, dann streckte er die Fühler zum Bamberger Naturkundemuseum aus. Über die Geologie in Erlangen kam der "Schneckenhannes" schließlich in Kontakt mit der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München und dem Institut für Paläontologie an der Freien Universität Berlin.
Besuch vom Professor
"Der Professor Keupp aus Berlin kommt bestimmt vier Mal im Jahr zu Besuch und holt Fossilien ab", sagt Johann Schobert. "Das, was hier in meinem Keller liegt, ist höchstens ein Zehntel. Neun Zehntel liegen in den Instituten."
Wie zum Beispiel die Turmschnecke, die Schobert 1999 gefunden hat, ein Erstbeleg in der Liasgrube Buttenheim. Oder aber die "Schobertella" - die nicht umsonst den Namen des Hirschaider Hobbysammlers in sich trägt. Ein winziges Krebs-Scherchen, gerade mal vier Millimeter lang. "Die hat ein Krebsspezialist nach mir benannt", sagt der "Schneckenhannes". Vielleicht könnte er mit der ein oder anderen seiner wertvollsten Versteinerungen Geld verdienen, wenn er sie an Sammler verkauft. Das will er aber nicht. "Ich möchte weiterhin mit der Wissenschaft zusammenarbeiten."
Das paläontologische Museum München kürte vier seiner Stücke bereits zum "Fossil des Monats": Schoberts großer Ammonit, die kleinen Turmschne cken, ein Ammonit mit Farbmuster und sechs sogenannte "Schlitzbandschnecken" in einem Verbund.
Der ein oder andere Student, der mit Schobert in die Gruben geht, ist möglicherweise genau auf der Suche nach einer ähnlichen Versteinerung. Der 57-Jährige packt einen Stapel Fachliteratur auf den Tisch und zieht drei gebundene Studienarbeiten hervor, geschrieben in den Fächern Geologie und Biologie.
Die Studenten waren mit ihm beim Sammeln, haben gesucht und gelernt. Nicht nur sie: Auch für Kinder bietet der "Schneckenhannes" Exkursionen an. "Meine drei eigenen kennen sich aus." Längst sind sie groß. Aber gerne erzählt der Papa davon, wie sie bei gemeinsamen Ausflügen in die Natur Versteinerungen von Schnecken oder Saurierknochen auf den Feldern gesucht haben. Saurierknochen?
"Jawoll", sagt Schobert und zieht einen Holzschub auf. Da stapeln sie sich, etliche Knochen, die aussehen wie aus einer großen Wirbelsäule.
Seeigel und Muscheln
In einem anderen Schub liegen versteinerte Seeigel, an anderer Stelle Muscheln. Doch vor allem mit seinen Ammoniten und Schnecken hat es Johann Schobert in Fachzeitschriften geschafft.
Vielleicht erscheint ja bald ein neuer Artikel - über Haifischzähne, die er bei seinen Touren gefunden hat. Schobert steht vor seinem Holzregal im Keller und meint: "Die liegen jetzt im Institut in München und warten auf Bearbeitung."