Der Schatz auf dem Dachboden
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Bamberg, Dienstag, 11. Dezember 2018
Die in Erlangen aufgetauchten über 1000 Briefe an den Bamberger Mediziner Johann Lukas Schönlein gelten als "Sensationsfund".
Der gebürtige Bamberger Johann Lukas Schönlein (1793-1864), Arzt und Mäzen, war selber schreibfaul. Der Begründer der "deutschen Klinik", bedeutende Vertreter der sogenannten naturhistorischen Schule und Wegbereiter der Inneren Medizin hat nur wenige seiner wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlicht. Zwar haben Hörer seiner Vorlesungen in Würzburg, Zürich und Berlin Mitschriften veröffentlicht. Die Authentizität dessen bestritt Schönlein jedoch vehement.
Umso wichtiger für die nicht nur wissenschaftliche Nachwelt ist nun der unerwartet aufgetauchte Schatz auf einem Erlanger Dachboden: Über 1000 Briefe an Schönlein von Kollegen, Schülern, Patienten, Ehefrau Therese sowie mehrere Zeugnisse und Urkunden, die den Lebensweg des Bambergers beleuchten. "Sensationsfund" nennen Professor Bernhard Manger und Professorin Renate Wittern-Sterzel dieses Konvolut: "Es sind fünf Mal so viele Briefe wie bis dato bekannt." Und künftig müsse es darum gehen, "gezielt in Archiven nach Schönleins Antworten zu suchen", blicken die Professoren in die Zukunft.
Rheumatologe Manger ist Oberarzt der Medizin 3 am Universitätsklinikum Erlangen, Wittern-Sterzel emeritierte Medizinhistorikerin. Gemeinsam mit zwei weiteren Hochschulkollegen haben sie eine Auswahl der entdeckten Briefe in eine bemerkenswerte Ausstellung in der Erlanger Universitätsbibliothek arrangiert und auch mit Leihgaben des Historischen Vereins Bamberg sowie der Staatsbibliothek Bamberg angereichert. Exakt am 225. Geburtstag Johann Lukas Schönleins, dem 30. November 2018, wurde diese Präsentation im Beisein etlicher Bamberger Ärzte eröffnet. Die Ausstellung kann noch bis zum Sonntag, 16. Dezember, täglich von 10 bis 18 Uhr kostenlos besucht werden (Schuhstraße 1 a, fünf Minuten Fußweg vom Bahnhof).
Es war der Erlanger Orthopäde Dr. Florian Knorr-Held, der durch einen Zufall im Nachlass seines Großvaters Maximilian Knorr, ein gebürtiger Bamberger, die Briefe an Schönlein fand. Maximilian Knorr hatte als Mikrobiologe und Hygieniker eine Professur in Erlangen inne und "muss die Materialien vor 1939 erworben haben", vermutet Bernhard Manger. Wie alles auf den Dachboden gelangte, sei unklar: "Augenscheinlich haben die beiden Töchter Schönleins den Nachlass ihres Vaters geteilt, so dass eine die Korrespondenz behielt", mutmaßt Wittern-Sterzel.
Die Kuratoren sind jedenfalls froh, dass der Enkel Knorrs die Bedeutung des Fundes erkannt und ihn an das Universitätsklinikum Erlangen übergeben hat. Professor Manger leistete zunächst die Kernerarbeit: Er transkribierte bisher 850 Briefe von 300 unterschiedlichen Autoren, erstellte eine Inhaltsangabe und Absenderlisten. "Es gibt sogar einige Briefentwürfe von Schönlein selbst", freut sich Manger und nennt alle Schreiben insgesamt eine "sozialhistorische Quelle ersten Ranges".
Der Betrachter kann sich davon überzeugen, wenn er die erstaunlich gut erhaltenen Briefe und weitere Exponate wie Schulzeugnisse des Königlichen Gymnasiums in Bamberg oder Berufungsurkunden Schönleins zum Ordinarius in Zürich und Berlin in den Vitrinen sieht und liest. Die zumeist in Sütterlin verfassten Briefe bestechen allein schon durch zierliche Handschrift oder zurück gelegtem Postweg: Schönlein korrespondierte mit Naturforschern in Peru, Sumatra, Angola oder Senegal und überließ bekanntermaßen dem Bamberger Naturkundemuseum die ihm geschickten Präparate von Seegurken und Co.
Schmunzeln wecken die Briefe von Therese Schönlein (1800-1849), die sie an ihren Ehemann und an ihre Schwiegermutter geschrieben hat: "Ein außergewöhnlicher Bestandteil des Briefnachlasses eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts", urteilt Professor Manger. Therese, die sich oft bei der Schönlein'schen Familie in Bamberg aufhielt, berichtete ihrem Ehemann zum Beispiel nach Zürich, wie sich ihre Hausangestellten Kunigunde und Franziska "blitzblau" prügelten. Und wie sich bemühte, für Schönlein eine "fränkische Köchin aufzutreiben".