Der rasende Radkurier kommt auch mal mit Parfüm
Autor: Sebastian Martin
Bamberg, Sonntag, 11. Sept. 2016
Karsten Simke über das Radfahren in Bamberg. Der Kurierfahrer verrät auch, was er von E-Bikes hält.
Karsten Simke ist jeden Tag mit dem Fahrrad unterwegs - Sommer wie Winter. Im Interview erzählt der 53-Jährige, der ursprünglich aus der Nähe von Cottbus kommt, wie er auf die Idee kam, seinen Fahrradkurier "Cityblitzz" zu gründen. Simke hat auch schon mal einem Hotelgast in höchster Not geholfen: Einer Dame war das Parfüm ausgegangen. Der Kurier besorgte schnell ein neues.
Sie haben vor genau 20 Jahren ihren Fahrradkurier gegründet ...
Karsten Simke: Ja, am 1. Juni 1996. Das steht auf dem Gewerbeschein. Ich bin geringfügig vorher gefahren, weil ich kurzzeitig arbeitslos war.
Wie kamen sie auf die Idee?
Ich bin in der damaligen DDR aktiv Rad gefahren. Auch ziemlich gut. Aber ich musste durch meine Probleme mit dem rechten Knie, durch die ich schon vorher gehandicapt war, kürzer treten. Dann kam mir die Idee mit dem Fahrradkurier: Das wäre eine coole Sache für Bamberg, dachte ich.
Wie viele Kunden haben Sie?
Ich hatte mal sieben bis zehn Festkunden, inzwischen sind es ein paar weniger geworden. Manche Firmen sind nicht mehr dezentral organisiert, sondern zentral. Jetzt laufen die Angestellten über den Flur und brauchen keinen Fahrradkurier mehr...
Würden Sie sagen, es ist schwierig als Fahrradkurier in Bamberg?
Ja.
Eigentlich ist die Stadt doch prädestiniert für einen Kurier ...
Ja, aber es ist richtig brutal geworden. Es gibt Stellen, denen ich die Aufträge für die Hälfte fahren könnte, aber ich bekomme sie nicht. Es ist einfach ein gewisser Stammesdünkel vorhanden ...
Könnte ich Sie als Privatperson auch engagieren?
Ja, freilich.
Wo fahren Sie? Nur in Bamberg?
Nicht nur. Dann aber nicht mit dem Fahrrad. Ich bin auch schon weit nach Ungarn, fast bis an den Balaton, gefahren.
Wie viel Kilometer legen Sie pro Jahr mit dem Rad zurück?
Es waren zu Spitzenzeiten 120 bis 140 Kilometer am Tag.
An fünf oder sechs Tagen pro Woche?
An fünf Tagen. Ich bin auch mal am Samstag gefahren, aber das waren schon außergewöhnliche Sachen. Ich habe einmal in einem Hotel meine Flyer ausgelegt. Die Idee war: Wenn irgendjemand was dringend braucht, besorge ich das. Daraufhin habe ich einer Dame mal ein Parfüm geholt. Da gehst du allerdings auch ein großes Risiko ein. Du zahlst 70 bis 80 Euro und dann weißt du nicht: Nimmt sie es oder nimmt sie es nicht?
Aber es hat geklappt?
Es hat geklappt, ja. (lacht) Die war total happy, hat sogar noch Trinkgeld gegeben. Aber das ist nicht das Tagesgeschäft, wie bei der Firma Weyermann, denen ich inzwischen alles hole. Lebensmittel wie Milch, aber auch Sekt für Feiern. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut!
Sonne oder Regen, was ist schöner zu fahren?
Dazwischen. Regen ist richtig schlecht. Ich kann zwar längere Zeit, also drei bis vier Stunden im Regen fahren, ich kann auch nasse Füße haben, aber wenn sie nass und kalt sind, dann schrillen die Alarmglocken! Und Sonne ist wahnsinnig gefährlich, weil die Leute, wenn es zu heiß ist, einfach zu wenig aufpassen. Das ist gefährlich, da passieren die schlimmsten Sachen ...
Ist Ihnen schon mal was passiert?
Leider ja. Es sind schon Unfälle passiert, die sind teilweise richtig heftig gewesen.
Ist Bamberg eine fahrradfreundliche Stadt oder nicht?
Ich finde schon. Das einzige Problem ist eigentlich nur die Mitkonkurrenz...
Autos!
Ne, mit Leuten auf dem Fahrrad plus Fußgänger habe ich mehr Ärger als mit Autofahrern. Zuerst kommen Fußgänger, die gucken gar nicht mehr, dann kommen Fahrradfahrer. Die hören keinen Motor und denken: Dann kommt auch nichts. Und dann stehen wir da ... Aber Autofahrer schauen auch nicht richtig. Zum Beispiel in der Kapuzinerstraße - das Problem ist, die Leute fahren oft gar nicht selber Fahrrad. Ich denke nur immer: Dreh dich um!
Wie ist es mit E-Bikes - wäre das was für Sie?
Ne - das kommt für mich überhaupt nicht in die Tüte! Ich finde gut, dass dadurch ein wenig mehr Mobilität da ist, aber es hat auch seine Tücken. Wenn du als älterer Mensch 50 Jahre normal Rad fährst und bist auf Tempo 15 bis 20 eingestellt, dann weißt du, wann du bremsen musst. Aber mit 10 km/h mehr bremsen viele zu spät!
Wie schnell fahren Sie im Schnitt?
Ich würde sagen, 23 bis 25 km/h im Schnitt.
Kommt wahrscheinlich darauf an, wo man fährt - in der Stadt muss man schließlich immer wieder abbremsen...
Es ist wie auf der Autobahn, wenn frei ist, kannst du fahren, wenn alle drei Spuren dicht sind, geht nichts mehr. Wie im wahren Leben ist es beim Fahrradkurier auch! (lacht)