Der Pilger mit der Mundharmonika spielt in Baunach
Autor: Petra Mayer
Baunach, Montag, 18. Februar 2013
Für eine Mark leistete sich Dietmar Hans Martin vor über 60 Jahren das Instrument, das ihn fortan durchs Leben begleitete: seine Mundharmonika. In bald 100 Kirchen, Kapellen und Kathedralen spielte der Franke mittlerweile, der auf dem Jakobsweg seine Passion entwickelte.
Die Mundharmonika zieht ihn hinaus in die Welt. Ihrem Ruf folgt Dietmar Hans Martin, um in Kirchen quer durch die Republik zu spielen, aber auch in Österreich und Spanien. Das immer gleiche Lied stimmt der Priegendorfer auf seiner musikalischen Wanderschaft an, die im Grunde mit dem Jakobsweg begann. Denn hier entdeckte der Franke das Instrument wieder, auf dem er "Segne Du Maria" in mittlerweile 96 Gotteshäusern erklingen ließ - darunter die Kathedrale von Cádiz und der Wiener Stephansdom.
Auf eigene Faust
Tja, alte Liebe rostet nicht. So fand der heute 70-jährige Priegendorfer schon in der Nachkriegszeit zur Mundharmonika - vor über sechs Jahrzehnten - und hielt ihr bis heute die Treue. "Als Kind hatte ich diese besondere Beziehung zur Musik bereits und bat meine Eltern, mir ein Akkordeon zu schenken", erinnerte sich Martin. Ein klares Nein folgte, das den Knirps aber nur kurzfristig ausbremsen konnte. "Stur wie ich nun mal war, kaufte ich mir für eine Mark bei der nächsten Gelegenheit auf eigene Faust eine Piccolo-Mundharmonika."
Ohne Noten lesen zu lernen oder je Unterricht zu nehmen, übte der Sechsjährige fortan auf seinem wenige Zentimeter großen Instrument. "Ich begann, Volkslieder zu spielen und Schlager", berichtete Martin - darunter "Ich zählte täglich meine Sorgen" als Song, mit dem Peter Alexander dank der gleichnamigen Filmkomödie 1960 die Hitlisten stürmte. Den besonderen Kick gaben dem Nachwuchstalent einige Jahre später Fußballlieder, die er mit Teamkollegen der DJK auf dem Platz schmetterte und im stillen Kämmerlein seiner Piccolo-Mundharmonika entlockte: "Wir sind die Fußballspieler von Priegendorf am See", sangen die Torschützen beispielsweise, ob sie nun verloren oder gewannen: "Und bin ich einst gestorben, tragt mich zum Friedhof hin. Da nimm ich meinen Fußball mit und spiel im Grabe drin."
Ein Eigentor geschossen
Große Erfolge verbuchte Martin als Kicker nie, wie er sich mit einem Schmunzeln erinnerte. "Ein Eigentor hab' ich geschossen", so der einstige Abwehrspieler. Der Franke punktete auf andere Weise - nicht zuletzt über seinen Brotberuf als Schriftsetzer. "Tabellen, die am Montag in der Zeitung standen, brachte ich meinen Vereinskollegen schon Sonntagnacht vom Spätdienst mit."
Aber zurück zur Musik, für die Martin als Familienvater bald kaum mehr Zeit fand. Lange verkümmerte sein Instrument in einer Schublade, das seltener und seltener zum Einsatz kam. "Das änderte sich erst 2008, als ich vom 20. April bis 20. Mai den Jakobsweg ging - von den Pyrenäen bis Santiago de Compostela. Denn zu meinem 12-Kilo-Gepäck gehörte die Mundharmonika."
In jedem Gotteshaus, in dem sich der Pilger am Wegesrand erholte, erklang la armónica. So lief der Franke 850 Kilometer bis zum Grab des Apostels Jakobus - und rührte währenddessen zahllose Menschen mit der immer gleichen Melodie. "Ich hatte das von Karl Kindsmüller vertonte Gedicht Cordula Wöhlers schon als Ministrant kennengelernt", erinnert sich der Priegendorfer. "Nahe ging mir die Melancholie von ,Segne Du Maria', die fortan in mir mitschwang." Wobei die Akustik der Gotteshäuser die Stimmung unterstrich, in die Martin mit der Mundharmonika eintauchte.
Bald Florida?
Auch die Reaktionen etlicher Kirchenbesucher ließen den Musikanten wieder und wieder zur Blues Harp greifen. Ab 2011 spielte er regelmäßig in Gotteshäusern - "natürlich weiterhin nur mit Genehmigung der zuständigen Stellen wie schon während meiner Pilgerreise." Ein Auftritt führte zum nächsten. "So lud mich eine Salzburgerin, die mich im Würzburger St. Kiliansdom hörte, in ihre Heimatstadt ein - und ab Salzburg tourte ich durch Österreich." Vor Kurzem in Linz eine Einladung nach Florida - "das Projekt ist derzeit noch in Arbeit."
Abstecher nach Spanien, wo Martin in der Kathedrale von Málaga und der Kirche Santo Cristo del Calvario in Marbella "Segne Du Maria" hören ließ. Urlaubsgebieten wie Gran Canaria (Santa Ana, Las Palmas) stattete der 70-Jährige Besuche ab. "Wo auch immer ich spielte, hatte ich eben das Gefühl, mit meinem Lied die Seele der Menschen zu berühren."