Druckartikel: Der Kunstverein möchte so gern sesshaft sein

Der Kunstverein möchte so gern sesshaft sein


Autor: Jutta Behr-Groh

Bamberg, Freitag, 14. Juni 2013

Eine Ausstellung zum 190-jährigen Bestehen soll den Bambergern die Sammlung, Aufgaben und Sorgen des Kunstvereins näher bringen.
Barbara Kahle (r.) und Dietlinde Schunk-Assenmacher mit einem Kunstblatt, das bei der Finissage verlost werden soll. Alle Fotos: Ronald Rinklef


Müde, aber glücklich wirken Barbara Kahle und Dietlinde Schunk-Assenmacher, nachdem es geschafft ist. Wochenlang haben sie geschleppt: Grafiken, Drucke, Ölgemälde, Zeichnungen, kleine Skulpturen und Objekte trugen sie aus dem obersten Stockwerk der Villa Dessauer hinunter in die Schauräume der Stadtgalerie.

Unzählige Male erklommen die beiden Vorstandsfrauen des Kunstvereins dafür den steilen Dienstbotenaufgang im Einzeldenkmal Hainstraße 4a, denn nur der führt auf den Dachboden, wo der größte Teil der vereinseigenen Sammlung lagert.

Allerdings mehr schlecht als recht: Viele gerahmte Bilder lehnen einfach an der Wand, sind Staub und Sonnenlicht ausgesetzt wie auch die Grafiken in den improvisierten Regalen. Der "Rest" der Sammlung ist über die halbe Stadt verteilt. Sie ist heimatlos wie der Kunstverein selbst.

Zum großen Bedauern der Verantwortlichen hat das Tradition von Anfang an.

Die Liste der Ausstellungsorte ist fast so lang wie die der Vorsitzenden seit der Vereinsgründung 1823.

Immer war man auf Gastfreundschaft angewiesen - ob zu Beginn im Hellerschen Haus an der Unteren Brücke, nach dem Krieg in der Neuen Residenz, seit 1987 jeweils für ein paar Wochen im Jahr in der Villa Dessauer und seit 2011 auch im Kunstraum "Kesselhaus" an der Unteren Sandstraße.

Hätte der Vorstand im 190. Jahr einen Wunsch frei, würde er sich eine weitere Spielstätte und feste Bleibe für den Verein wünschen. Im Idealfall mit Platz für ein Büro. Bislang "läuft alles über privat", sagt Kahle, eine promovierte Kunsthistorikerin.

In der neuen Ausstellung wird auch ein kurzer Abriss der Vereinsgeschichte präsentiert. Der Bamberger Kunstverein zählt zu den traditionsreichsten Kultureinrichtungen Deutschlands. Als Bürgerverein, der sich der Vermittlung von Gegenwartskunst und der Förderung zeitgenössischer Künstler zum Ziel setzte, ging er Anfang des 19. Jahrhunderts aus einem privaten Kreis von Kunstfreunden hervor, zu denen auch E.T.A. Hoffmann zählte.

Sammlung von fast 800 Stücken

Die Sammlung ist viel jünger als der Verein. Sie entstand auf Betreiben von Hans Neubauer, Vorsitzender von 1962 bis 1997. Seit dieser Zeit fördert die Kommune mit einem bescheidenen Zuschuss den Erwerb zeitgenössischer Kunst durch den Kunstverein. Anfangs gab es 2000 DM jährlich, heute erhält der Vorstand dafür 2500 Euro.

Mit vergleichsweise wenig Geld wurde im Lauf der Zeit eine erstaunliche Fülle interessanter Arbeiten angekauft. Davon können sich Interessierte vom 16. Juni bis 21. Juli in der Villa Dessauer überzeugen. Am morgigen Sonntag wird dort um 11.30 Uhr die Präsentation "Eine Sammlung zeigt ihr Gesicht - 190 Jahre Kunstverein Bamberg - von A bis Z" eröffnet.

Zu den Kuriositäten gehört das großformatige Gemälde "Luthers Trauung", das im 19. Jahrhundert durch eine Verlosung in den Besitz des Vereins gekommen ist. Mangels Platz hängt das Bild gewöhnlich im Kapitelsaal von
St. Stephan.

Obwohl seit immerhin 2010 im Amt entdeckten Kahle und Schunk-Assenmacher bei den Vorbereitungen zur Jubiläumsschau manchen "Schatz" auf dem Dachboden.

Kein Wunder: Die Sammlung ist erst in Teilen inventarisiert. Für eine professionelle Aufbereitung fehl(t)en bisher Personal, Geld - und Räume. Eine Inventarisierung nach neuesten Museumsmaßstäben ist eines der nächsten Projekte, das der Vorstand angehen will. Ohne finanzielle bzw. personelle Hilfe wird das laut Schunk-Assenmacher nicht zu schaffen sein.

Schon jetzt gleiche das Ehrenamt einem Vollzeit-Job - obwohl sogar die Ehemänner eingespannt werden.Auch das Historische Museum helfe nach Kräften, soweit es dessen angespannte Personallage erlaube.

So hofft Kahle, dass die Schau der Öffentlichkeit bewusst macht, was auf dem Spiel steht, wenn der Verein für seine Aufgaben und Sammlung nicht mehr Unterstützung als bisher erfährt. Die Vorsitzende spürt in Bamberg viel Interesse an moderner Kunst und würde diese gerne fördern: "Es ist so eine Begeisterung da! Es wäre schade, wenn die wieder herunter geschraubt werden müsste!"

Zu den ehrgeizigen Zukunftsplänen des Kunstvereins gehört es, der zeitgenössischen bildenden Kunst in der Welterbestadt einen festen Platz zu geben. Man engagiert sich seit 2011 - gemeinsam mit dem Architekturtreff und dem Berufsverband bildender Künstler - in der Initiative "Kunstraum Kesselhaus". Noch im Juli soll aus ihr ein Verein werden.


Zukunftsprojekt Artothek

Damit seine Sammlung nicht wieder auf Jahre den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleibt, schwebt dem Kunstverein ein Kunstverleih an jedermann vor. Knackpunkt auch dafür sind freilich eigene Räume.
Kahle und Schunk-Assenmacher hoffen weiter.

Informationen zur Ausstellung

Zur Eröffnung am Sonntag, 16. Juni, um 11.30 Uhr in der Stadtgalerie Villa Dessauer, Hainstraße 4a, führt Prof. Günter Dippold, Bezirksheimatpfleger, in die Ausstellung ein. Es sprechen außerdem Erste Vorsitzende Barbara Kahle und Bürgermeister und Kulturreferent Werner Hipelius. Für Musik sorgen Stefan Haas (Laute) und Cornelie Hansen (Blockflöte).

In der Ausstellung sind bis 21. Juli Werke aus dem Vereinsbesitz unter dem Titel "Eine Sammlung zeigt ihr Gesicht von A bis Z" zu sehen. Vertreten sind regionale Kunstschaffende wie Karlheinz Bauer und Alfred-Heinz Kettmann sowie internationale Künstler wie Stephan Balkenhol, Eduardo Chillida, Christo, Tony Cragg, Otto Herbert Hajek, Jörg Immendorf, Cy Twombly, Robert Indiana, Alfred Kubin, Jonathan Meese, A. R. Penck, Otto Piene, Siegmar Polke, Günther Uecker, Hannsjörg Voth, Robert Wilson.

Die Schau ist täglich außer montags zugänglich: Dienstag bis Donnerstag von 10 bis 16 Uhr, Freitag bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr.