Wie viele Retouren gibt es hierzulande jährlich?
Wir gehen aktuell von 350 Millionen Retourpaketen aus, 2014 waren es noch 250 Millionen. Seitdem sind die von uns untersuchten Händler und der Online-Handel insgesamt deutlich gewachsen.
Schicken die Deutschen mehr zurück als andere Nationen? In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist die Rücksendequote im europäischen Vergleich sehr hoch. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind europaweit so, dass man den Kauf binnen 14 Tagen widerrufen kann. Wir haben hier eine hohe Marktdurchdringung durch den Versandhandel und einen intensiven Wettbewerb. Deshalb wird die Möglichkeit, dem Kunden die Rücksendekosten aufzuerlegen, auch fast nur in Nischenbereichen genutzt. Hinzu kommt noch der historische Aspekt: In Deutschland haben sich schon mit den Anfängen des Versandhandels sehr liberale Rücksendemöglichkeiten etabliert. Schon in einer Zeitungsannonce von 1882 heißt es "Nicht gefallende Waren werden bereitwilligst zurückgenommen".
Lohnt sich der Aufwand und das finanzielle Risiko für den Online-Handel?
Ja, es kann trotzdem noch gutes Geld verdient werden, bis zu einem gewissen Punkt macht es ökonomisch noch Sinn. Bei Rücksendequoten von 50 oder 60 Prozent ist aber die Grenze erreicht.
Was kostet eine Rücksendung den Händler im Schnitt? Wir haben das für verschiedene Warengruppen ermittelt und kommen auf durchschnittlich 7,80 Euro pro Retoure, hinzu kommt noch der jeweilige Wertverlust. Wenn ich aber auf den recht umtauschintensiven Bereich Textilien und Schuhe schaue, liegen dort die Kosten bei 2 bis 2,50 Euro, der Wertverlust bei 3 bis 3,50 Euro. Da lassen sich aber trotzdem noch gute Gewinnmargen erwirtschaften.
Ab wann kann man von Missbrauch sprechen? Es gibt klare Fälle, bei denen auch Außenstehende sagen würden: Das geht nicht. Wenn zum Beispiel eine Kundin ein Dirndl bestellt, um es zweimal beim Oktoberfest anzuziehen und es danach wieder zurückzuschicken. Das ist meilenweit von der Intention des Gesetzgebers entfernt. Es gibt aber auch Graubereiche, wenn ich mir zum Beispiel zehn Hosen bestelle und dann vielleicht eine oder überhaupt keine nehme.
Wer zahlt am Ende die Rechnung für ein solches Einkaufsverhalten? Die entstehenden Kosten spielen sicher auch eine Rolle bei der künftigen Preiskalkulation. Wer Waren bestellt und sie behält, zahlt die Rechnung mit.
Sind es zum Jahreswechsel deutlich mehr Rücksendungen als sonst?
Da vor Weihnachten deutlich mehr bestellt wird, gibt es absolut gesehen tatsächlich mehr Retourenpakete. Allerdings zeigen uns die realen Daten der Versandhändler, dass die Retourenquote nach Weihnachten sogar etwas zurückgeht.
Weil Käufer und Beschenkte nicht identisch sind und sich kaum einer die Rechnung geben lässt, um ein Geschenk online umzutauschen? Genau so ist es.
Wie lassen sich Rücksendungen vermeiden? Was das präventive Retourenmanagement angeht, gibt es unterschiedliche Ansätze. Nach unseren Daten sinkt die Rücksendequote bei schnellerer Versendung. Der Käufer hat dann weniger Zeit, in der er den Kauf vielleicht bereut oder die Ware woanders günstiger sieht. Außerdem wollen die Händler über bessere Produktpräsentationen im Internet die Rücksendequote senken. In zwei bis drei Jahren wird es so etwas wie eine digitale Ankleidekabine geben. Immer wichtiger wird auch die Auswertung von Daten: Kunden werden Produkte empfohlen, die zu bereits bestellten passen.
Was bedeuten diese Entwicklungen für die Zukunft des stationären Handels? Der Kundenmarkt ist sehr fragmentiert. Es wird immer Kunden geben, die lieber den persönlichen Kontakt haben als Einkäufe vom PC aus zu erledigen. Die Frage ist nur, wie groß deren Anteil künftig sein wird. Der Versandhandel wird auch in Zukunft weiter wachsen, weil er zum Beispiel über Vergleichsportale maximale Markttransparenz bietet. Wenn zugleich die Liefergeschwindigkeit so zunimmt, dass nicht nur in großen Städten die Ware am Tag der Bestellung da ist, nimmt das dem stationären Handel einen weiteren Wettbewerbsvorteil. Die Beratungsqualität, mit der die Geschäfte werben, hängt auch davon ab, wie viel Personal sie sich noch leisten können. Und schließlich kann der stationäre Handel nicht mehr auf Abläufe und Strukturen setzen, die vielleicht vor dem Wettbewerb mit dem Online-Handel funktioniert haben. Aussagen wie "Umtausch nur gegen Gutschein" gehen in der heutigen Zeit einfach nicht mehr.
Das Interview führte Stefan Fößel.