Der Hopfen kommt zurück
Autor: Gertrud Glössner-Möschk
Bamberg, Sonntag, 18. Sept. 2016
Kris Emmerling erinnert an eine Tradition der Bierstadt: Er baut in der Gärtnerei an der Zollnerstraße wieder Hopfen an, und es gibt ein spezielles Bier.
Gemüse, Obst, Kräuter und Sämereien haben schon vor Jahrhunderten den Ruf Bambergs als Gärtnerstadt gefestigt. Im Laufe der Zeit änderte sich aber die "Produktpalette" der im großen Stil produzierten Genusspflanzen. Im Mittelalter war es der Wein, es folgten Süßholz, Majoran, Zwiebeln. Spezialisierte Gärtnereien produzierten Gemüsesamen in so guter Qualität, dass sie in ganz Europa begehrt waren. In Bamberg selbst konnte man sie in verschiedenen Geschäften an der wichtigen Süd-Nord-Verbindung kaufen: am Steinweg und in der Königstraße.
Weniger bekannt ist heute, dass in der Bierstadt Bamberg auch Hopfen angebaut worden ist.
Den Bamberger Gärtner Kris Emmerling hat die verloren gegangene Tradition besonders interessiert und er lässt sie im Hopfengarten wieder aufleben: Zwölf verschiedene Hopfensorten hat er im hinteren Teil der auf Zierpflanzen spezialisierten Gärtnerei angebaut - ohne Unkrautvernichter und chemischen Pflanzenschutz. Seit einigen Tagen sind die Dolden reif. Sie tragen klangvolle Namen: Cascade, Spalter, Polaris, Perle, Tettnanger. Es gibt aromatische Sorten und solche mit bitterer Note, erläutert Emmerling.
Frische Dolden in der Flasche
Der letzte Anstoß, sich intensiv mit dem für die Bierherstellung unentbehrlichen Gewächs zu beschäftigen, kam durch einen Freund, der in seiner Freizeit Craftbeer braut und immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten ist, sein Bier zu verfeinern. Jetzt kann er es mit frischem Hopfen aus der Zollnerstraße versuchen.
Weil es pflückfrische Dolden nur im Herbst gibt und in den Brauereien üblicherweise haltbarer getrockneter Hopfen oder Hopfen-Pellets verwendet werden, haben auch die professionellen Brauer wenig Erfahrung mit der sogenannten Kalthopfung. Bei Keesmann in der Wunderburg hat man sich auf das Wagnis eingelassen und ausprobiert, wie sich die verschiedenen Sorten Hopfen zusammen im Bier geschmacklich entwickeln. Nach vielen Experimenten gibt es nun Pils und Helles in Flaschen, in denen oben jeweils drei Dolden Hopfen schwimmen. Der Geschmack sei unvergleichlich, schwärmen Kris und sein Vater Wolfgang, und er ändere sich von Tag zu Tag.
Der junge Gärtner möchte das besondere Geschmackserlebnis gerne teilen: bei der Eröffnung des Hopfengartens am Samstag, 24. September, aber auch bei Führungen und Degustationen, die für Gruppen gebucht werden können.
Über die Tradition des Hopfenanbaus und -handels hat Herbert Loebl in seinem Buch "Juden in Bamberg" geschrieben, das 1999 im Verlag Fränkischer Tag erschienen ist. Darin heißt es, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der Hopfenanbau den gescheiterten Weinanbau abgelöst hat, steuerlich begünstigt durch den Fürstbischof. 1870 gab es laut Loebl an den umliegenden Hängen 254 Tagwerk Hopfengärten und nur noch 16 Tagwerk Weingärten. Auf den westlichen Höhenzügen der Altenburg und des Michelsbergs bauten die Häcker noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Hopfen an.
Umgeschlagen wurde der Hopfen zunächst auf einem eigenen Markt, der seit 1836 verbrieft ist. 1846 etablierte sich der erste jüdische Hopfenhändler. 15 Jahre später gab es 21, im Jahr 1876 schon 110 Hopfenhandlungen, die meisten von jüdischen Geschäftsleuten gegründet. Dank Eisenbahn, transatlantischer Dampferlinien und Telefon wurde der Bamberger Hopfenhandel ein florierendes Exportgeschäft. Um 1880 zählte er zu den bedeutendsten Gewerbezweigen der Stadt.
Entsprechend reich waren die Händler: Auf das Sumpfland im Hain bauten sie prächtige Villen und schufen das hochherrschaftliche Aussehen von Hain- und Schützenstraße. Zu dieser Zeit reichte der in Bamberg angebaute Hopfen für die Geschäfte der umtriebigen Händler längst nicht mehr aus, zumal es in den Jahren 1893, 1901 und 1909 drei Missernten gab. Neue Lieferanten fanden sich im Saazer Gebiet in Böhmen und im Elsass. Das Hopfengeschäft bot laut Loebl auch die Grundlage für eine Reihe von Sekundärindustrien: "Vom Hopfenhandel abhängig entstanden Firmen für den Bau von Verschwefelungsanlagen, von Darren, hydraulischen Pressen, Sack- und Büchsenfüllanlagen. Die Herstellung von Jutesäcken und Hopfenbüchsen boten weiterhin Arbeitsplätze für Bamberger Arbeiter. In einer besonderen Beziehung stand der Hopfenhandel zur Bamberger Mälzerei und den Brauereien, insbesondere zur Hofbräu A.G."