Der Flop mit den E-Scootern in Bamberg
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Freitag, 29. Mai 2020
Ende 2018 machte Bamberg als deutsche Pilotstadt für elektrische Roller Furore. Von der damals vorhandenen Euphorie ist heute nur noch wenig übrig.
Ende 2018 sah alles noch ganz anders aus: Vor den Augen der Weltöffentlichkeit flitzte ein sichtlich gut gelaunter Bamberger OB auf lautlosen Rollen über den Fahrradweg die Kapuzinerstraße entlang - hinter ihm der Chef der Stadtwerke, Michael Fiedeldey, mit lässig über dem E-Scooter-Lenker baumelnder Hand. Der Auftritt der Stadtoberen vor der internationalen Presse war an Deutlichkeit kaum zu überbieten: Bamberg, die alte Bischofsstadt, bewegt sich bei der Nutzung modernster Verkehrsmittel an vorderster Front. Der elektrische Roller oder auch E-Scooter sollte zum Heilsbringer für überfüllte Innenstädte und die so genannte die letzte Meile werden.
Eineinhalb Jahre nach der PR-Aktion von Stadt, Stadtwerken und einer Verleihfirma samt Pilotversuch, tobt der Verkehr heftig wie eh und je durch Bambergs Straßen. Autos, Radfahrer und Fußgänger teilen sich die begrenzte Fläche und vom elektrisch betriebenen Roller ist kaum etwas zu sehen. Auch das damals versprochene innovative Sharing-Modell lässt auf sich warten. War da was?
"Der E-Scooter steht derzeit nicht oben auf unserer Agenda", räumt Ulrike Siebenhaar ein. Hört man die Sprecherin der Stadtverwaltung, haben sich die Hoffnungen, die damals in das Kleinstfahrzeug gesetzt worden seien, nicht erfüllt. Statt einer Verlagerung vom Auto zum Roller habe eine vom Rad zum Roller stattgefunden.
Ein Flop? Rückenwind haben die Skeptiker durch eine dieser Tage vom TÜV Rheinland veröffentlichte Studie bekommen. Darin kommt das Meinungsforschungsinstitut Civey zu dem Ergebnis, dass 80 Prozent von 2500 Befragten keine Verkehrsentlastung durch die Roller sehen. Im Gegenteil: Eine Mehrheit empfinde die neuen Fahrzeuge als störend, 47,4 Prozent forderten gar den Entzug der Straßenverkehrszulassung.
Und in Bamberg? Verhandeln die Stadtwerke seit eineinhalb Jahren mit möglichen Anbietern über ein gemeinsames Sharing-Modell auf App-Basis. Es gehe um ein ergänzendes Angebot zum öffentlichen Personennahverkehr. Und es soll Gewinn abwerfen, sagt Sprecher Jan Giersberg. Ein großes Ziel. Denn auch beim städtischen Energiedienstleister hat die Euphorie fühlbar nachgelassen. Es gehe um einen Test und nicht darum, "gegen den Willen der Bamberger etwas durchzudrücken".
Wie urteilen Verkehrspolitiker der größten Fraktion im Stadtrat? Von einer allenfalls kleinen Nische spricht Christian Hader. Der E-Roller könnte zum Vorteil werden, wenn es gelingen würde, dadurch Autofahrten zu ersetzen, sagt Hader, der auch Chef des ADFC Bamberg ist. Doch eine Studie des Umweltbundesamtes habe gezeigt, dass dies nicht der Fall ist: "Es steigen Leute um, die bisher zu Fuß gegangen sind oder mit dem Rad unterwegs waren." Und auch das ist eine Erkenntnis des Bundesamtes: Von der Umweltbilanz ist der Roller deutlich schädlicher als das Rad.