Druckartikel: Der Buchhandel kämpft um jeden Kunden

Der Buchhandel kämpft um jeden Kunden


Autor: Rudolf Görtler

Bamberg, Freitag, 21. Februar 2014

Seit Jahren werden der Branche angesichts von E-Books und Online-Geschäft schwere Zeiten prophezeit. Doch die Buchhändler der Region lassen sich nicht entmutigen.
Foto: FT


Zum Beispiel Bamberg. 70.000 Einwohner, viele Schulen, Universität mit gut 13.000 Studierenden - eine gute Basis für den Buchhandel, sollte man meinen. Die Realität sieht anders aus: Die Buchhandlung Görres räumte Heiligabend ihre Regale. Nahezu unbemerkt tat die Club-Bertelsmann-Filiale vergangenes Jahr dasselbe.

Die Verlagsbuchhandlung Collibri kollabierte Ende 2010, gründete sich neu und behauptet sich immerhin seit knapp drei Jahren. Eine Weltbild-Filiale gibt es auch in Bamberg - noch. Die Insolvenz des Augsburger Weltbild-Verlags mit über 6000 betroffenen Mitarbeitern schrieb überregionale Schlagzeilen. Ist der Buchhandel am Ende?

Daran mögen die Buchhändlerinnen und Buchhändler der Region nicht glauben. Lesen ist nach wie vor pädagogisch wie sozial erwünscht.

In Bayern gab es 2011 noch 941 Buchhandlungen (Zahlen nach Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels), in ganz Deutschland waren es 2012 ca. 4100. Die Zahl der Beschäftigten schrumpft; 2012 arbeiteten im Buchhandel 31 700 Personen. Die deutschen Verlage produzierten 2012 91 100 Erst- und Neuauflagen (2011 96 273). Die Kurven weisen nach unten, nur die des Internethandels tendieren nach oben. Wenig Hoffnung also, "Marktbereinigung" steht an, im Klartext: Bis zu 40 Prozent der Ladenflächen werden in den kommenden Jahren verschwinden, prognostizierten Branchen-Insider bereits vor einigen Jahren.

Den Strukturwandel sieht Michael Genniges ganz klar, geschäftsführender Gesellschafter des Hübscher Buch- und Medienhauses in Bamberg. Eher gelassen reagiert der Chef von 55 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - Hübscher unterhält außer der Bamberger Zentrale vier Filialen in Haßfurt, Hallstadt, Kulmbach und Fürth - die aktuellen Herausforderungen: "Es gibt keine einfachen Zuwächse mehr." Görres, früher im Kirchenbesitz, sei wegen "nicht realisierbarer Mietforderungen" des Hauseigentümers zur Schließung verurteilt, das besonders für Theologen interessante Sortiment in die Bamberger Hübscher-Zentrale mit seinen rund 1000 Quadratmetern integriert worden; den Jahresumsatz beziffert Genniges auf acht Millionen Euro. Der Internet-Konkurrenz, dem schrumpfenden Umsatz mit wissenschaftlichen und Sachbüchern will Hübscher mit einem erweiterten Sortiment begegnen: Non-Book-Artikel wie Spiele sollen (Hör-)Bücher, CDs, Kalender etc. ergänzen.


E-Reader ohne Leser

Genniges strebt auch ins Internet ("außergewöhnlich erfolgreich") über Portale wie Ebay oder rakuten. Weltbild habe die Internet-Kompetenz gefehlt und den Investitionsbedarf dafür unterschätzt. Zu E-Readern hat der Geschäftsführer beobachtet, dass sich die Lesegeräte recht gut verkaufen, aber dann wenig genutzt werden. Alles in allem sieht er für sein "regional aufgestelltes Familienunternehmen" gute Perspektiven: "Im Moment spricht nichts für Panik im Buchhandel."

Eine Bamberger Institution ist die Buchhandlung Collibri. Einst links-alternativ - und gescheitert. Auferstanden aus Insolvenz-Ruinen ist die Neue Collibri GmbH im Mai 2011 und hält sich seither nach Angaben des geschäftsführenden Gesellschafters Thomas Zölch-Buba tapfer. Ein zwölfköpfiges Team wirkt auf den 270 Quadratmetern des Ladens in der Austraße. Das setzt ganz auf ein hochwertiges Sortiment: anspruchsvolle Bücher mit edler Ausstattung, ausgesuchte (Klein-)Verlage, Pflege der Stammkundschaft. Nun muss man wissen, dass der Buchhandel einen erheblichen Teil seines Umsatzes mit dem sogenannten Rechnungsgeschäft erzielt: im Falle Collibri ein Drittel durch Belieferung von Bibliotheken, Schulen, Uni, Oberlandesgericht usw. Klein und geschmeidig, lautet Zölch-Bubas Credo, "große Flächen [wie die Filialketten Hugendubel und Thalia, d. Red.] werden schwieriger zu bewirtschaften". Was sich immer noch nicht herumgesprochen hat: So gut wie jede Buchhandlung bietet heute den gleichen Service wie Amazon: Bestellung über die Homepage, Lieferung frei Haus oder Abholung. "E-Books tangieren mich wenig", sagt der Collibri-Chef. Er ist zuversichtlich, dass der Online-Buchverkauf sein Kunden-Potenzial ausgeschöpft hat. Veranstaltungen - auf die Genniges nach wie vor setzt - sieht Zölch-Buba eher als "Stammkundenpflege".

Den Mut zur Veranstaltung hat dagegen Elke Reitmayer, die als Inhaberin die Höchstadter "Bücherstube" mit zwei Mitarbeiterinnen führt. Ein nicht leichtes Geschäft in einem Städtchen mit gut 10.000 Einwohnern. Dennoch hat sie u. a. den Kabarettisten Matthias Egersdörfer engagiert und den Regisseur Marcus H. Rosenmüller ("Wer früher stirbt ..."), beide auch Buchautoren. Ihre Buchhandlung, gleichzeitig FT-Servicepoint, hat sie wohnlich eingerichtet mit besonderem Augenmerk auf junge Kunden - riesiger Teddybär, Schaukelpferd, Leseecke mit Bilderbüchern, großes Sortiment an Kinder- und Jugendliteratur.

Bei allem Krisengerede: 2013 ging es nach Auskunft aller Befragten und des Branchendienstes Börsenverein des Deutschen Buchhandels nach schrumpfenden Jahresumsätzen wieder aufwärts. Auch das Weihnachtsgeschäft (rund 20 Prozent des Jahresumsatzes) sei zufriedenstellend verlaufen. Und es gibt Existenzgründer wie Michael Holz, der vergangenen Herbst in Forchheim auf 45 Quadratmetern eine kleine Buchhandlung eröffnet hat für "anspruchsvolle Kunden mit etwas mehr Geld". Und unverdrossen ficht Irmgard Clausen, Besitzerin der Coburger Buchhandlung Riemann mit 18 Angestellten, nach "eher schlechten" Jahren für Buch und Kultur. Ihr Credo: "Was wir brauchen, sind Kunden, die wissen, wo sie kaufen."