Der "besondere Kick" zum Fest
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Bamberg, Montag, 26. Dezember 2016
In die Christmetten strömten auch in diesem Jahr Menschen, die sonst um Gottesdienste einen großen Bogen machen.
Kaum zu glauben: Schon eine halbe Stunde vor Beginn der Christmette ist die Heilig-Grab-Kirche gut gefüllt. Junge und Ältere wollen sich nicht etwa nur rechtzeitig einen Sitzplatz sichern. Sie wollen beten. Und zwar den Rosenkranz, der auch sonst täglich in dieser Kirche betrachtet wird. Allerdings meist nur von einer Handvoll Leute, die gemeinsam mit den Dominikanerinnen des zugehörigen Klosters diesen religiösen Brauch pflegen.
Doch in dieser stillen und heiligen Nacht haben die Nonnen vielköpfige Verstärkung. Priorin Maria Gratia Choi stimmt die "Freudenreichen Geheimnisse" an. Ein Gesetz nach dem anderen, eingebettet in 50 "Ave Maria".
Immer wieder wird der fromme Singsang vom nicht gerade geräuscharmen Öffnen und Schließen des Kirchenportals begleitet. Weitere Besucher treten ein. Oder stecken nur kurz die Nase in den Türspalt, lauschen einen Moment und verschwinden wieder. Nein, Rosenkranz - so eine vermeintlich extreme Übung in Sachen Gläubigkeit muss wohl nun doch nicht sein. Nicht einmal zu Weihnachten.
Besucherin: Kirche gehört dazu
Dabei lockt dieses Fest jedes Jahr Scharen in die Christmetten, die sonst um Gottesdienste einen großen Bogen machen und mit Kirche generell nichts am Hut haben. "Oh, Kirche gibt das richtige Weihnachtsgefühl", sagt Gabriela P. offen nach der Messe.Die 63-Jährige gehört zu den Zeitgenossen, die die Angebote der Kirche im Alltag nicht brauchen. Aber Weihnachten, diese emotionsgeladenen Feiertage in dunkler Jahreszeit voller Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach Liebe und Geborgenheit, nach einem Angenommen-Sein und kindlicher Freude, nach Licht und Wärme weckt selbst in Hartgesottenen schlummernde Reste vom Glauben an ein höheres Wesen.
An irgendetwas Diffuses, was in der Kirche gefunden werden kann. Ruhe nach der hektischen Adventszeit mit Glühweinrausch und Geschenkekauf etwa. Oder "den absoluten Frieden, nach dem ich zu Weihnachten ein Bedürfnis habe und den ich in keinem passenderen Raum als in der Kirche finden kann", begründet Andreas K. seinen Gang in die Christmette. Der 54-jährige Katholik bekommt darin "den besonderen Kick zu Weihnachten", wie er sagt. Dieser einmalige gottesdienstliche Schub genüge ihm für ein ganzes Jahr. Er sei eher zufällig in der Heilig-Grab-Kirche gelandet. Denn sonst wechsle er an den Heiligen Abenden die Kirche: "Kann auch eine evangelische sein", fügt der Mann hinzu.
"Ich freue mich über jeden, der kommt!" betont Diethard Buchstädt, Pfarrer der evangelischen Auferstehungskirche in der Bamberger Gartenstadt. Er sehe es als Chance, den vielen Menschen, die es zu Weihnachten in die Kirche treibt, ein "positives Bild von Kirche zu vermitteln und Christus zu verkündigen".
Pfarrer Buchstädt hofft, dass die Weihnachtsbotschaft vom Mensch gewordenen Gott "weiter wirkt und streut". Aber da sei in erster Linie der Heilige Geist in der Pflicht, meint er lachend und vertraut darauf, dass dieser auch jenseits der Weihnachtsatmosphäre und -stimmungen Suchende im Laufe des Jahres in die Kirche führt.
"Jeder ist willkommen"
Auch der katholische Dekan in Bamberg, Günter Höfer, hat nichts gegen die "Weihnachtschristen" einzuwenden: "Man sieht es ihnen ja nicht an, ob sie regelmäßige Kirchgänger sind oder nicht", betont der Leitende Pfarrer des Seelsorgebereichs Bamberg-Ost mit St. Heinrich, St. Kunigund und St. Anna.Grundsätzlich "ist jeder willkommen", erklärt Höfer. Kritisch werde es nur, wenn ansonsten Kirchenferne "zur Kommunion gehen und nicht wissen, was sie mit dem Stückchen Brot anfangen sollen", spricht der Pfarrer aus Erfahrung. Gleichwohl ist er dankbar und froh, "mit so vielen Menschen schöne Weihnachtsgottesdienste feiern und die Menschwerdung Gottes verkünden zu können". Und das in Zeiten, in denen die Angst vor Terroranschlägen und Unglücken jeglicher Art um sich greife.Auch in der Heilig-Grab-Kirche werden die aktuellen Geschehnisse in Berlin, in Syrien, im Irak, in den Krisenregionen der Welt nicht ausgeklammert. Geistlicher Rat Heinrich Schenk beschwört die kleinen Gesten, die dem Nächsten "Licht, Freude, Frieden" bringen können. Und das nicht nur zu Weihnachten. Die Fürbitten bestürmen den Himmel um Beistand in diesen friedlosen Zeiten. Um Barmherzigkeit für die Opfer von Krieg und Gewalt. Um Segen für die Helfer der Flüchtlinge.
Ganz zum Schluss wird die Kirche nur noch von den Kerzen an den mit Strohsternen geschmückten Tannenbäumen im Altarraum erhellt. Der Organist intoniert das Lied "Stille Nacht, Heilige Nacht". Da singt fast jeder mit, auch schief, nicht alle Text- und Tonsicher. Aber das ist Weihnacht . . .